Systemhaus Bissinger verkauft

Zeitenwende in Gundelfingen

27. Oktober 2022, 8:56 Uhr | Martin Fryba
Ihm vertraut und traut Siegfried Bissinger zu, sein 1969 gegründetes Systemhaus (Bürotechnik Bissinger) zu führen: Jörg Radler, Prokurist und seit 2016 Leiter Document Solutions. Vater und Tochter Anja Bissinger scheiden zum Jahresende aus.
© Systemhaus Bissinger

Ihm vertraut und traut Siegfried Bissinger zu, „sein“ Systemhaus in die Zukunft zu führen. Ein halbes Jahrhundert Patriarchat geht zu Ende, Jörg Radler übernimmt. Erste Pläne hat der neue Investor schon beschlossen.

Als Siegfried Bissinger 1969 mit 23 Jahren sein Einzelunternehmen gründete, sah die Bürotechnik noch so aus: Schreibmaschine, Telefon und wer ganz modern sein wolle, leistete sich einen Kopierer – von Xerox natürlich. Die Innovationsgeschwindigkeit war damals noch gemächlich: In den Büros stand das Telex, dann Personal Computer Anfang der 80er Jahre, Mitte der 90er Jahre ersetzte zunehmend die E-Mail und das Internet den Fernschreiber unmd schließlich das Fax. Siegfried Bissinger hat diese Revolutionen alle mit- und draus gute Geschäfte gemacht. Expansion war nie sein Ding. Er war es gewohnt, alles in seiner Hand und unter seiner Kontrolle zu haben. Nun lässt er mit 76 Jahren los, wenn man als einer der letzten Patriarchen in der Branche überhaupt loslassen kann.

Zum Jahresende scheidet Bundesverdienstkreuz-Träger Siegfried Bissinger und Tochter Anja Bissinger, just an ihrem 46. Geburtstag, aus. Jörg Radler übernimmt, und zwar ab sofort. Zeitenwende in Gundelfingen beim „Marktführer für Dienstleistungen im Bereich Druck- und Kopierlösungen, Dokumentenmanagement, IT, Konferenzlösungen sowie Büroeinrichtungen in Süddeutschland“, markiert der Platzhirsch sein Revier.

Radler trat 2009 bei Bissinger ein, wurde 2016 Leiter der Sparte Document Solutions und Prokurist. Kopierer verlieren an Bedeutung, daher will der 37. Jährige auf DMS und IT – und hier vor allem auf Konferenzlösungen – setzen und die Sparte Objektdesign ausbauen. Der klassische Bürofachhandel stagniert seit Jahren. Radler kennt den Trend und will den 2.500 Kunden mehr ITK-Lösungen offerieren. Er kann aktuell auf 110 Mitarbeiter und auf das Portfolio von 120 Herstellern zurückgreifen.

Investor Liberta übernimmt und schmiedet Gruppe
Und er soll Systemhaus Bissinger aus dem Revier Süddeutschland herausführen und überregional positionieren. Nicht alleine, sondern an der Seite der KKS Kemmler Kopier Systeme. Beide Häuser werden zu einer Gruppe vereint, die CEO Axel Kemmler führt. Das Konstrukt hat federführend Liberta Partners angestoßen, die neben den Anteilen an der KKS nun auch das Systemhaus Bissinger übernommen haben. Ein „zukunftsorientierter Partner“, so Sigfried Bissinger. Was ihn, den man nicht so leicht für sich gewinnen kann, dann doch einlenken ließ: „Besonders überzeugt hat mich die Strategie von Liberta, im fragmentierten Markt der Systemhauslösungen eine starke Gruppe zu schaffen und so das Produktportfolio für unsere Kunden noch breiter ausrichten zu können“.

Nicht geschimpft, ist gelobt genug
Allein die Bündelung der Kompetenzen wird nicht reichen, damit Radler für nachhaltiges Wachstum sorgen kann. Qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten, geht heute mehr und mehr vor allem über einen partizipativen Führungstil und eine angstfreie Firmenkultur, in der einem nicht gleich der Kopf abgerissen wird, wenn man einmal einen Fehler macht oder im Einkauf nicht ganz so gut verhandelt hat.

Radler wird eine Modernisierung auch in diese Richtung schieben. Noch ist der Schatten seines gewaltigen Vorgängers spürbar. Insofern passen die Worte schon, die der neue Systemhaus-Chef zum Abschied für den Gründer und seine Tochter findet: „tadellos“ habe Bissinger „uns durch sein Lebenswerk zu diesem Erfolg getragen“ – und zwar „bis zum heutigen Wandel“. Nicht geschimpft, ist gelobt genug: So darf ein Schwabe aber nur den Schwaben und Firmenpatriarchen Siegfried Bissinger verabschieden.


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