Plagiarius-Award 2023

Dreiste Fälscher-Könige aus Deutschland und der Welt

10. März 2023, 9:17 Uhr | Lars Bube
© aapsky - AdobeStock

Plagiatoren setzen jedes Jahr fast eine halbe Billion Euro mit den Produktideen und -Designs anderer um und lassen ihre Kopien inzwischen sogar gezielt von speziellen Influencern bewerben. Manche schrecken nicht einmal davor zurück, die Webseite des Originalherstellers gleich mit zu klonen.

Das Geschäft der Plagiatoren wächst seit Jahren weltweit mit einer Geschwindigkeit, von der selbst die erfolgreichsten Konzerne nur träumen können. Die derzeit schwierige wirtschaftliche Lage befeuert ihre Umsätze noch zusätzlich, die zum Großteil über Online-Plattformen eingesammelt werden. Laut dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) wurden 2021 alleine in der EU rund 86 Millionen gefälschte Waren beschlagnahmt, fast 31 Prozent als im Vorjahr. Und das ist nur die sichtbare Spitze des Eisbergs, die Zahl der tatsächlich verkauften Fälschungen liegt deutlich höher und wächst mindestens wohl ebenso schnell. Schätzungen der EUIPO und der OECD gehen davon aus, dass bereits etwa 2,5 Prozent des Umsatzes im Welthandel auf Nachbauten entfällt, also fast 500 Milliarden Euro jährlich. Das schadet nicht nur den Herstellern und dem Fachhandel erheblich. Immer wieder setzen rücksichtslose Plagiats-Produzenten auch die Gesundheit ihrer Kunden und der eigenen Mitarbeiter aufs Spiel und verursachen erhebliche Umweltschäden. Regelmäßig erweisen sich vom Zoll aus dem Verkehr gezogene Produkte als gefährlich. Die Bandbreite reicht von verunreinigten oder mit Schadstoffen belasteten Kosmetika, Stoffen und Spielzeugen über technische Produkte mit mangelhafter Elektronik bis hin zu falsch dosierten Medikamenten und minderwertigen Industrieprodukten. Selbst der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) warnt explizit vor der Gefahren für Menschen, Maschinen, Anlagen und Betriebe durch gefälschte Bauteile.

Besonders eindrückliche Beispiele dafür, wie dreist die Fälscher bei ihrer „Produktentwicklung“ vorgehen, zeigt die Aktion Plagiarius jedes Jahr mit ihrem gleichnamigen Negativpreis. Der Plagiarius, ein schwarzer Zwerg mit goldener Nase, richtet den Blick auf offensichtliche Kopien und skrupellose Geschäftsmethoden der Produkt- und Markenpiraten, unabhängig davon, ob diese im juristischen Sinne rechtswidrig sind. Nach zwei Jahren in virtueller Form wurde der Anti-Award in diesem Jahr wieder live auf der Konsumgütermesse „Ambiente“ in Frankfurt verliehen. Die unrühmlichen Gewinner finden sie auf den folgenden Seiten. Hatten in den vergangenen Jahren stets chinesische Anbieter in der Arena der Plagiatoren dominiert, finden sich dieses Jahr unter den Geschmähten auffällig viele deutsche Firmen, die selbst vor großen Marken nicht zurückschrecken. Bestes Beispiel ist ein schwäbischer Anbieter, der aus der unmittelbaren Nachbarschaft von Mercedes Benz Kopien der Diagnosegeräte des weltbekannten Automobilkonzerns vertreibt (siehe Seite 4).

Neben allzu offensichtlichen Produktkopien gab es bei der Award-Verleihung auch einige andere Überraschungen und interessante Neuigkeiten aus der Fälscher-Szene zu sehen und hören. So war etwa dieses Jahr erstmals auch eine Webseite unter den Preisträgern, auf der im geklonten Design des Originalherstellers und unter einer ähnlichen Domain Kopien seiner Produkte vertrieben werden (siehe Seite 5). Das zeigt, dass es für Unternehmen nicht mehr reicht, einfach nur gewerbliche Schutzrechte in allen relevanten Märkten anzumelden. Vielmehr brauchen sie eine aktive Strategie, um digitale Markenverletzungen und Identitätsklau zu erschweren, aufzuspüren und zu begegnen. Dazu gehören beispielsweise Überprüfungen der Angebote auf E-Commerce-Plattformen und die Unterstützung sowie klare Ausweisung der offiziellen Vertriebspartner, etwa durch eindeutige Siegel.

Zudem berichteten die Plagiats-Experten von einem irritierenden Trend des Social-Media-Marketings: Immer häufiger tauchen Influencer auf, die in ihren Posts und Videos auf Instagram, Tiktok, Youtube, Facebook und Co. ganz bewusst Fälschungen bewerben. Diese sogenannten „Dupe Influencer“ stellen den Kauf nachgemachter Produkte als vermeintlich clevere Alternative dar und fördern damit nicht nur den Absatz, sondern auch die gesellschaftliche Akzeptanz von Fakes, insbesondere bei jüngeren Zielgruppen. Und die steigt rapide. Laut dem aktuellen „Jugendbarometer 2022 zum geistigen Eigentum“ haben 37 Prozent der Europäer im Alter zwischen 15 und 24 Jahren schon vorsätzlich Fälschungen gekauft. Damit greifen inzwischen doppelt so viele Jugendliche bewusst zu Plagiaten, wie noch vor drei Jahren. Neben gefälschter Markenkleidung sind bei ihnen besonders Nachahmungen und Kopien technischer Gadgets beliebt.

Im Sinne des Schutzes der Wirtschaft und Industrie samt ihrer Arbeitsplätze liegt es an der Politik und Gesellschaft, solchen Tendenzen Einhalt zu gebieten und das Bewusstsein für die Kosten innovativer und qualitativ hochwertiger Produkte zu stärken. Dazu kann auch der Handel seinen Teil beitragen, indem er die Kunden informiert und seine Prüfpflichten hinsichtlich Faktoren wie den geltenden Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltstandards sowie Marken-, Design-, Patent- und Urheberrechten ernst nimmt. Das bedingt unter anderem eine sorgfältige Auswahl und Bewertung der Lieferanten sowie regelmäßige Qualitäts- und Sicherheitskontrollen.

Anbieter zum Thema

zu Matchmaker+

  1. Dreiste Fälscher-Könige aus Deutschland und der Welt
  2. Legal, illegal – Regal
  3. Patentierter Ideenklau für Freunde
  4. Stuttgarter Klonkrieg
  5. Auf der falschen Seite: Digitaler Doppelgänger
  6. Serientäter: Idem item
  7. Wenn die Kopie das Original überholt

Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Aktion Plagiarius e.V.

Weitere Artikel zu Spiele

Weitere Artikel zu Smartphones & Tablets

Weitere Artikel zu Smart Home

Matchmaker+