Dünne Rechner mit Köpfchen

7. September 2007, 15:36 Uhr |

Thin-Clients mit Linux – Klassische Terminals führen alle Applikationen auf dem Server aus. Moderne Thin-Clients mit Linux erlauben einen Mix aus lokalen Applikationen und Remote-Sitzungen. Die ersten grafischen Terminals für Citrix- und RDP-Verbindungen kamen nahezu ohne lokale Rechenpower aus. Alle Applikationen liefen auf dem Server, und ein abgespektes Windows-CE genügte dem Terminal als Betriebssystem.

Diese Geräte arbeiten auch heute noch in vielen Netzwerken. Parallel dazu etablieren sich leistungsstärkere Thin-Clients, die einen Teil der Applikationslast vom Server nehmen und lokale Peripherie einbinden. Nahezu alle Terminal-Hersteller offerieren in ihrem Portfolio Geräte mit embedded Windows XP oder Linux als Betriebssystem. Bereits in der Grundausrüstung beherrschen diese Computer grundlegende Dienste wie einen lokalen Firefox-Webbrowser, der Plug-ins zulässt. Eine lokale Java-Runtime eröffnet dem Client den Zugang zu vielen Applikationen, ohne dabei den eigentlichen Applikationsserver zu überfordern.

Über die USB-Schnittstellen können Anwender Devices wie Smart-Card-Reader, Steuergeräte für Maschinen und Sensoren, externe Speicher oder Fingerabdruck-Scanner verwenden. Je nach Terminaltyp darf der Verwalter Modifikationen am Linux-Basissystem vornehmen und eigene Skripte oder Anwendungen einspielen.

Ein moderner Thin-Client sollte auch über eine Reihe von Netzwerkoptionen verfügen. Neben WLAN als physischen Layer können die Rechner das PPTP-Protokoll und VPN-Tools für Remote-Offices integrieren.

Für den Administrator wäre es bei größeren Netzwerken ein unzumutbarer Aufwand, jedes einzelne Terminal direkt einrichten zu müssen. So offerieren alle Hersteller zentrale Managementapplikationen. Darin kann der Verwalter die Konfiguration ganzer Client-Gruppen vorgeben und über das Netzwerk verteilen.

Diese Management-Tools hat Network Computing in folgendem Test nicht unter die Lupe genommen, um den Aufwand nicht zu verkomplizieren. Network Computing hatte Fujitsu-Siemens, Igel, Neoware und Wyse aufgefordert, einen passenden Thin-Client mit Linux einzusenden. Fujitsu-Siemens und Wyse lieferten trotz Zusage ihre Computer nicht rechtzeitig an. So standen einander letzten Endes nur die beiden Produkte von Neoware und Igel in einem direkten Vergleich gegenüber.

Neoware e140

Das Neoware-Terminal e140 fällt etwa so groß aus wie ein städtisches Telefonbuch. Im Inneren befindet sich ein Mini-ITX-Board mit einer 1 GHz schnellen VIA-Esther-CPU. Der Rechner verfügt über 256 MByte RAM und eine 128-MByte-Flash-Card als Festplattenersatz. In dieser Flash-Card sitzt das von Neoware angepasste Linux-System »Neolinux 4.x«, welches etwa 100 MByte der Flash-Kapazität benötigt. Für Peripherie stehen folgende Schnittstellen zur Verfügung: zwei serielle, eine parallele, zwei USB 2.0 an der Front, 2 USB 2.0 auf der Rückseite, Maus, Tastatur, Sound, 100 MBit/s-Ethernet und ein PCI-Steckplatz. Über eine optionale USB- oder PCI-Karte wird das e140 WLAN-fähig.

In der Grundausrüstung beherrscht das Terminal Verbindungen mit RDP/ICA, X, SSH oder Telnet. Dazu packt Neoware die hauseigene Terminalanwendung »TeemTalk«. Dieses Programm unterstützt rund 30 gängige Terminalprotokolle wie 3270, 5250, Wyse oder SCO. Dazu gibt es den Firefox-Webbrowser. Das GUI von Neolinux orientiert sich an der Optik von Windows XP. Das Startmenü listet die definierten Verbindungen, gruppiert nach den jeweiligen Protokollen auf. Zusätzlich legt Neoware zu jeder Verbindung ein Icon auf dem Desktop ab. Für die Grundkonfiguration des Clients selbst sorgen ein Control-Panel und eine Reihe von System-Tools. Ein Administrator-Passwort schützt diese kritischen Bereiche von unbefugten Zugriffen. In Anlehnung an Windows gibt es bei Neolinux eine Registry mit passendem Editor. Diese Datenbank listet einzelne Parameter der Systemkonfiguration auf, welche der Verwalter anpassen kann.

Zu den Grundfunktionen offeriert Neoware eine Reihe von Snap-ins, die sich über das Web herunterladen und auf dem Client installieren lassen. Dazu zählen freie Tools wie eine Java-Virtual-Machine, Adobe-Flash und -Acrobat, VNC, Tarantella oder der NX-Client. Zudem vertreibt der Hersteller kostenpflichtige Erweiterungen wie den originalen IBM-3270/5250-Emulator für Linux.

Im Test hinterlässt das e140 einen guten Eindruck. Die Geschwindigkeit der lokalen Anwendungen wie auch der Grafikausgabe ist sehr gut. Dank DVI-Ausgang liefert der Thin-Client auf TFT-Panels ein gestochen scharfes Bild in Auflösungen bis 1600x1200. Mit DVI/VGA-Anschlüssen kann das Gerät zwei Bildschirme und über eine passende Hardwareerweiterung auch vier Screens ansteuern.

Die Bedienung der Oberfläche gestaltet sich einfach und sehr logisch. Auch die Konfigurationsdialoge für den Administrator zeigen viel Übersicht. Die getesteten RDP- und X-Verbindungen sind schnell und die Darstellungen ohne Fehler. Auch die Remote-Verbindungen liefern eine zügige Grafikausgabe. Schade allerdings, dass alle lokalen Dialoge des Computers vorerst nur in englischer Sprache vorliegen. Die Version 4 des Neolinux im Gerät kam erst vor Kurzem auf den Markt. Daher fehlt es noch an der Lokalisierung und an den zertifizierten Snap-ins. Diese will Neoware jedoch bald fertigstellen.

Das Neolinux erlaubt dem Administrator, eigene Erweiterungen auf dem Terminal zu installieren. Per Kommandozeile versetzt der Verwalter den Flash-Speicher in einen schreibfähigen Zustand. Später im Jahr will Neoware ein kleines SDK auf den Markt bringen. Ein paar Tools und Tutorials erklären und vereinfachen dann das Thin-Client-Customising. Viele Kunden fordern hier Flexibilität und wollen vor allem eigene GUI-Designs, Logos, Hintergrundbilder und Screensaver nachrüsten.

Igel 3210-LX Compact
Ein bißschen leistungsschwächer als bei Neoware stellt sich die Hardware des Igel 3210-LX-Compact dar. Dieses Terminal setzt ebenfalls 256 MByte RAM und eine 128-MByte-Flash-Card als Festplattenersatz ein. Dafür treibt den Thin-Client in der Größe einer Zigarrenschachtel eine 600 MHz schnelle VIA-Esther-CPU an. Für einfache lokale Dienste wie den Webbrowser genügt diese Leistung allemal. Auch das 3210-LX verfügt über zwei Grafikausgänge mit DVI/VGA. Als Schnittstellen stellt das Gerät die folgenden zur Verfügung: eine serielle, eine parallele, zwei USB 2.0 an der Front, 2 USB 2.0 auf der Rückseite, Maus, Tastatur, Sound, 100-MBit/s-Ethernet und ein Smart-Card-Reader. Ein PCI-Steckplatz fehlt.

Das GUI der Igel-Linux-Software erinnert ein wenig an Windows 2000. Das Startmenü listet alle definierten Remote-Sitzungen direkt auf. Zudem gibt es ein Fenster mit dem Applikations-Launcher. Über dieses Tool richtet der Administrator Sessions ein oder startet das Setup-Programm. Als Sitzungen kennt das 3210-LX neben RDP und ICA auch SSH, RSH, Firefox und Powerterm. Letzteres kümmert sich dabei um klassische Terminalemulationen wie 3270, VT100 oder SCO.

Das Setup-Programm listet dem Verwalter eine Unmenge konfigurierbarer Optionen auf. Im Netzwerkdialog lässt sich beispielsweise eine Modem- oder ADSL-Verbindung einrichten. Ferner gibt es Dialoge für NFS- und SMB-Mounts. Im Terminal steckt zudem ein SIP-Client, der ein an der Soundkarte angeschlossenes Headset in ein IP-Telefon verwandelt.

Auf der Smartcard kann der Verwalter Sitzungsdefinitionen und ein Passwort ablegen. Ein Benutzer, welcher diese Smartcard in ein Terminal einsteckt und sich verifiziert, erhält sofort seine Applikationsverbindungen auf dem Desktop.

Im Test schreckt die Vielfalt der Setup-Optionen zunächst ab. Die Dialoge, welche häufig drei Reihen von Optionsreitern darstellen, verwirren den Administrator. Sehr unglücklich regelt Igel X-Sitzungen. Hier kann der Verwalter keine Applikations-Icons anlegen. Vielmehr lässt sich nur eine einzelne X-Sitzung über die Bildschirmeinstellungen als virtuelle Konsole deklarieren. Der Anwender muss dann mit der Tastenkombination -, gefolgt von F1 oder F2, zwischen den virtuellen Screens hin und herschalten. Ein Schirm zeigt den Igel-Desktop, der andere die X-Sitzung. Bei einem Terminal mit Linux als Basissystem gehört der X-Server jedoch besser integriert, so dass sich mehrere Sitzungen auch mit verschiedenen Fenstergrößen parallel betreiben lassen.

Auch entzieht sich die X-Sitzung dem Schutz durch die Smartcard. Wenn der Verwalter die Option »Terminal ohne Smartcard sperren« aktiviert, bleibt die X-Sitzung zu einem Unix/Linux-Server unbeirrt offen und wird auch bei einem Neustart sofort wieder angelegt.

Neoware gegen Igel
Den direkten Vergleich der beiden Terminals entscheidet Neoware e140 recht eindeutig für sich. Die Konfiguration und Bedienung des Neoware-Linux gestalten sich wesentlich einfacher und übersichtlicher, als das bei Igel der Fall ist. Zugegeben: Das 3210-LX wartet mit einem größeren Funktionsumfang auf. Das Problem daran: Igel muss alle Funktionen in das Basis-OS stopfen, denn der Benutzer kann keine eigenen Erweiterungen einspielen. Neoware kommt ohne ein riesiges und unübersichtliches Setup-Programm aus, da der Anwender oder sein Systemhaus im Zweifelsfall Sonderfunktionen nachrüsten kann.

Als mangelhaft ist bei Igel auch das Handling von X-Sitzungen einzustufen. Eine einzelne Fullscreen-Verbindung auf einem virtuellen Bildschirm, die noch dazu abseits der eigentlichen Applikationsdeklarationen konfiguriert werden muss, ist für ein Linux-Thin-Client einfach zu wenig. Schade auch, dass Igel keine Benutzermodifikationen oder Erweiterungen des installierten Systems zulässt. Gerade bei einem Linux-Terminal eröffneten sich Anwendern und Integratoren damit ungeahnte Möglichkeiten, um Thin-Clients für besondere Aufgaben anzupassen.

ast@networkcomputing.de


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