ICT CHANNEL wünscht frohe Weihnachten

Kompass für stürmische Zeiten

22. Dezember 2022, 15:04 Uhr | Martin Fryba
© AdobeStock/Bee Free

Dem zupackenden Manager und Menschen der Tat gehört die Welt. Die Stillen, bedächtig Abwartenden trifft der Vorwurf des Zauderns. Zeit zum Innehalten und mit Friebe Holm über die Kunst des Nicht-Handelns nachzudenken.

2013 lag ein druckfrisches Büchlein auf dem Tisch des Redakteurs und wartet, wartet, wartete und wartete auf Besprechung. Nicht weil es irrelevant und langweilig wäre, musste die Rezension zehn geschlagen Jahre warten. Im Gegenteil. Allein das Vorwort fesselte so sehr, dass es den Rezipienten sofort zur Tastatur drängte. Aber Halt! Rät doch der Autor zum Abwarten, zum Innehalten und füllt mit diesem Thema fast 200 Seiten.  

Gelassenheit üben, nichts überstürzen, sich nicht im permanenten Handeln nur um des Handelns willen zu verlieren. „In einer von sinnlosem Stress, Hektik und Atemlosigkeit geprägten Zeiten ist intentionale Passivität eine rare und zu Unrecht verfemte Kunstform, die durch nichts besser versinnbildlicht wird als durch den ruhenden Stein“. Die Stein-Strategie. Von Der Kunst Nicht zu Handeln“, von Holm Friebe. Hanser-Verlag, 2013.

Blinder Aktionismus
Lob der Faulheit, des Müßiggangs? Eine Bibel, in der endlich die Prokrastination, die notorische Aufschiebung der Tat auf den Sankt-Nimmerleins-Tag, eine höhere Weihe erfährt? Oder eher esoterisches Geschwurbel über innere Einkehr und ruhende Eintracht mit dem Universum? Friebe ist kein Sannyasin. Er ist Volkswirt und als solcher hat er viele Beispiele parat, wie blinder Aktionismus ins Verderben führt.

„Wenn du dich bewegst, muss du wissen, wohin. Wenn du dich nicht bewegst, musst du wissen, warum“. Letzteres ist für aktionisitisch getriebene Führungskräfte völlig außerhalb ihrer Vorstellung. Sie meinen schließlich, nur für Tatkraft und sichtbare Bewegungen bezahlt zu werden. Die in vielen Unternehmen inszenierte und orchestrierte Wanderschaft zu neuen Märkten - gerade in Zeiten des Umbruchs - führt, man ahnt es schon, nicht selten in den Abgrund. Warum das so ist?

Die Psyche will es so. Unserem Bewusstsein gelingt es, erstaunlich lange Situationen als unkritisch zu verharmlosen, Zweckoptimismus zu verbreiten und Souveränität zu suggerieren, während es dem Unterbewussten schon merklich unbehaglich wird. „Die Fähigkeit des menschlichen Gehirns, die innere Landkarte den äußeren Gegebenheiten anzupassen, auch wenn schon längst nichts mehr zusammenpasst, ist enorm“, heißt es bei Friebe im Kapitel „Don’t panic!“.

Hanser
© Hanser

So kommt es, dass ein Wanderer den Harz mit einer Stadtkarte von London durchschreitet und sich damit prima zurechtzufinden glaubt. Irgendwann kommt es aber unweigerlich zum Knirschen im Kopf, die kognitive Dissonanz zwischen innerer Karte und äußeren Umständen wird zu massiv, das Konstrukt kollabiert. „Helle Panik bricht aus“, erklärt Friebe.

Warum das zehn Jahre junge Buch nichts von seiner Aktualität und Relevanz eingebüßt hat und die Lektüre gerade an Weihnachten zu empfehlen ist? Es ist eine Zeit des Abschaltens, der Entspannung, die zu üben vielen gar nicht mehr so leicht fällt. Die Künste des Liegen-Bleibens, des Ruhe-Bewahrens und des Bleiben-Lassens, wie sie Holm Friebe hervorragend anschaulich herleitet, neu wiederzuentdecken, kann Kraft geben und ein Kompass sein in stürmischen Zeiten des Auf- und Umbruchs.

In diesem Sinne wünschen wir unseren Lesern frohe und besinnliche Weihnachten.

Ihr ICT CHANNEL-Team


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