Durchsuchungen nach Abmahnwelle

Polizei geht gegen „Google Fonts“-Abmahner vor

3. Januar 2023, 15:01 Uhr | Michaela Wurm
Die dynamische Verwendung der Schriftarten Google Fonts auf Webseiten kann als DSGVO-Verstoß gewertet werden. Ein gefundenes Fressen für die Abmahnindustrie.
© AdobeStock/Monticellllo

Polizei und Staatsanwaltschaft gehen gegen die Initiatoren von Massen-Abmahnungen vor: Die Beschuldigten hatten bundesweit Privatpersonen und Händler wegen der Nutzung von „Google Fonts“ abgemahnt und eine eigens dafür programmierte Software eingesetzt.

Mit Durchsuchungs- und Arrestbeschlüssen gehen Polizei und Staatsanwaltschaft gegen die Initiatoren der massenweisen „Google Fonts“-Abmahnungen vor, berichtet die Münchner IT-Recht-Kanzlei. Den beiden Beschuldigten – einem 53‑jährigen Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in Berlin und dessen 41‑jährigem Mandanten, dem angeblichen Repräsentanten einer „IG Datenschutz“ – wird versuchter Abmahnbetruges und (versuchte) Erpressung in mindestens 2.418 Fällen vorgeworfen.

Im Auftrag der Staatsanwaltschaft Berlin vollstreckte die Polizei Durchsuchungsbeschlüsse in Berlin, Hannover, Ratzeburg und Baden-Baden sowie zwei Arrestbeschlüsse mit einer Gesamtsumme vom 346.000 Euro.

„Den Beschuldigten wird vorgeworfen, bundesweit Privatpersonen und Kleingewerbetreibende, die auf Ihren Homepages sog. „Google Fonts“ – ein interaktives Verzeichnis mit über 1.400 Schriftarten, die das Schriftbild einer Webseite bestimmen – eingesetzt haben, per Anwaltsschreiben abgemahnt zu haben. Zugleich wurde diesen angeboten, ein Zivilverfahren gegen Zahlung einer Vergleichssumme in Höhe von jeweils 170 Euro vermeiden zu können“, so die Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin.

Dass die behaupteten Schmerzensgeldforderungen wegen Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht bestanden, soll den Beschuldigten dabei bewusst gewesen sein. Entsprechend sollen sie auch gewusst haben, dass für die Angeschriebenen kein Anlass für einen entsprechenden Vergleich bestand, da sie die angeblichen Forderungen gerichtlich nicht hätten durchsetzen können. Die Androhung eines Gerichtsverfahrens soll daher tatsächlich nur mit dem Ziel erfolgt sein, die Vergleichsbereitschaft zu wecken.

Mittels einer eigens dafür programmierten Software sollen die Beschuldigten laut Pressemitteilung zunächst Websites identifiziert haben, die Google Fonts nutzen. In einem zweiten Schritt sollen sie ebenfalls mittels einer dafür entwickelten Software Websitebesuche automatisiert vorgenommen, diese also fingiert haben. Die protokollierten Websitebesuche sollen die Grundlage für die Behauptung der datenschutzrechtlichen Verstöße und die Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen gewesen sein.

Die Beschuldigten sollen daher darüber getäuscht haben, dass eine Person die Websites besucht hat. Mangels Person läge aber auch keine Verletzung eines Persönlichkeitsrechts vor.

Da sie diese Besuche außerdem bewusst vorgenommen haben sollen, um die IP‑Adressen‑Weitergabe in die USA auszulösen, hätten sie faktisch auch in die Übermittlung eingewilligt, so dass eben gerade kein datenschutzrechtlicher Verstoß mehr gegeben war, der eine Abmahnung hätte begründen können, so das Resumee der Generalstaatsanwaltschaft Berlin. In einigen Fällen soll zudem überhaupt keine Datenübermittlung in die USA erfolgt, ein darauf basierender Anspruch aber trotzdem geltend gemacht worden sein.

420 Anzeigen von „Abgemahnten“, die letztlich nicht gezahlt haben, liegen der Staatsanwaltschaft Berlin inzwischen vor. Aus der Auswertung der Kontounterlagen der Beschuldigten ergab sich, dass etwa weitere 2.000 Personen das „Vergleichsangebot“ aus Angst vor einem Zivilverfahren und in der unzutreffenden Annahme, der behauptete Anspruch bestünde tatsächlich, angenommen und gezahlt haben.

Bei den Durchsuchungen wurden Beweismittel sichergestellt, insbesondere Unterlagen und Datenträgern, die nun ausgewertet werden. Sie sollen unter anderem über die Anzahl, Auswahlkriterien und Identität, die tatsächlichen Umsätze und die genaue Vorgehensweise weiteren Aufschluss geben.

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