Nachhaltige Entwicklung bei Cisco

Jenseits des Greenwashings

19. April 2023, 7:00 Uhr | Wilhelm Greiner
© Wolfgang Traub

Allerorten brüsten sich Unternehmen damit, in wenigen Jahren Klimaneutralität oder „Net Zero“ erreichen zu wollen. Fachleute erachten derlei meist als Greenwashing, also Marketing-getriebene Verbrämung. LANline sprach deshalb mit Denise Lee, die Ciscos Initiativen für nachhaltige Produktentwicklung leitet, über die Aktivitäten, die hinter der Fassade tatsächlich stattfinden.

Schönfärberei war mal ein anständiges Handwerk: Im Mittelalter lieferten die Schönfärber ihrer im Wortsinn betuchten Klientel viel prunkvoller leuchtende Gewänder als die Billigkonkurrenz am Schmuddelende der Färbergasse. Heute hingegen ist Schönfärberei degeneriert zum rhetorischen Winkelzug, der Unschönes übertünchen soll. Und übertüncht wird überall: In der Werbung, dem rhetorischen Rechtsnachfolger mittelalterlicher Schönfärberei, enthalten überteuerte Gesichtscremes natürlich kein Fett, sondern „wertvolle Lipide“; im Wirtschaftsleben gibt es keine Entlassungen aufgrund von Krisen mehr, sondern nur noch eine „Reduzierung von Redundanzen im Bereich Human Ressources“ in Zeiten von „Minuswachstum“; und im Tierreich gehört der Problembär eigentlich auf die Liste der bedrohten Tierarten, findet man doch längst keine Probleme mehr vor, sondern nur noch die invasive Spezies der „Herausforderungen“.

Alles so schön grün hier

War die Schönfärberzunft einst spezialisiert auf leuchtendes Rot, tiefes Blau oder sehr schwarzes Schwarz, so bevorzugt man heute ein sattes Grün. Denn in Zeiten der Klimaüberhitzung achten immer mehr Konsumenten, Gesetzgeber und Investoren auf die Klimabilanz eines Unternehmens – und schon füllen sich die Abwassergräben der Schönfärbergasse mit dem schleimigem Grünschleier, der beim „Greenwashing“ anfällt, beim Versuch, sich „grüner“, also umwelt- und klimafreundlicher zu geben, als man es ist. Der Begriff ist eine Variation von „Whitewashing“, dem vergleichsweise farblosen englischsprachigen Pendant zur deutschen Schönfärber-Tradition.

Greenwashing ist so verbreitet, dass die „Herausforderungen“ nur neidisch gucken können. Dies bestätigte jüngst der CCRM-Bericht (Corporate Climate Responsibility Monitor), den das NewClimate Institute dieses Jahr zum zweiten Mal veröffentlichte. Im CCRM klopft das Kölner Institut die Behauptungen weltbekannter Konzerne, beim Klimaschutz Vorreiter zu sein, auf zweierlei ab: auf Transparenz der Angaben und Integrität der Behauptungen zu Klimaneutralität und „Net Zero“. „Klimaneutral“ bedeutet dabei, dass ein Unternehmen die Treibhausgase, die bei der Herstellung seiner Produkte oder Services anfallen, vermeidet und notfalls durch Ausgleichsmaßnahmen (Offsetting) kompensiert. „Net Zero“ beschreibt ein ähnliches Ziel: Die Treibhausgasemissionen der Aktivitäten in der Wertschöpfungskette eines Unternehmens haben unter dem Strich keine Auswirkungen auf das Klima. Idealerweise würde ein Unternehmen auch hier Treibhausgase durch grünen Strom und Rohstoffe aus Kreislaufwirtschaft minimieren und nur den verbleibenden Rest durch CO2-Absorption oder Offset-Zertifikate ausgleichen müssen.

Moderate Integrität

Die Praxis aber sieht anders aus: Auch im aktuellen CCRM erhält erneut keiner der 24 evaluierten Weltkonzerne – von Amazon und Apple bis Volkswagen und Walmart – die Einstufung „hohe Integrität“. „Angemessene“ Transparenz und Integrität bescheinigt das Institut lediglich dem Logistikkonzern Maersk für sein Versprechen, bis 2040 Net Zero zu erreichen. Denn der Logisitker berichte transparent über Emissionen und verfolge umfassende Pläne, von fossilen Treibstoffen auf CO2-arme oder gar -neutrale umzusteigen. Hingegen erhalten in der IT-Branche – wo man in typischer Silicon-Valley-Manier gern den Weltenretter gibt – selbst Apple, Google und Microsoft nur das Label „moderate Integrität“. Bei Amazon und Foxconn sieht das NewClimate Institute „niedrige“ Integrität der Klimaziele, Samsung zählt mit „sehr niedrig“ zu den vier Schlusslichtern.

Zur Schönfärberei kommt Verdunkelungsgefahr: Der Zertifikathandel der Carbon-Offset-Branche steht im Ruf eines modernen Ablasshandels. Erstens gibt es gar nicht so viel Waldfläche, um die CO2-Emissionen der Weltwirtschaft – laut Forschern 40,6 Milliarden Tonnen – durch Wiederaufforstung (die beliebteste Offset-Maßnahme) zu kompensieren. Zweitens sind viele Offset-Projekte lange nicht so wirksam wie behauptet. Waldbrände an der US-Westküste zum Beispiel haben schon so manches Offset-Zertifikat in dunklem Rauch aufgehen lassen.

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