Green IT nicht nur im Rechenzentrum

Ökologie und Ökonomie sind kein Widerspruch

26. November 2020, 15:59 Uhr | Martin Fryba
Sie machen sich schon seit 2013 auf den grünen IT-Weg: Mitarbeiter von Green IT Das Systemhaus aus Dortmund
© Green IT Das Systemhaus

Ohne Energiewende keine »grüne« Digitalisierung, kein CO2-neutrales Wirtschaften. Die IT-Branche hat das erkannt und verfolgt teilweise sehr ehrgeizigere Klimaziele als die Politik. Und selbst am Kapitalmarkt wandelt sich so mancher Saulus zum Klima-Paulus.

Kommt der Energieausweis auch für Rechenzentren? Müssen Cloud-Anbieter künftig den CO2-Fußabdruck pro Serviceeinheit ausweisen? Stehen Tarife für unbegrenzte Datenflatrate wegen Klimakiller-Verdacht vor dem Aus? Und sind  Daten-Spartaner mit einem drei Jahre alten Smartphone künftige Klima-Helden, weil sie ein HD-Video über Glasfaser streamen und damit lediglich zwei Gramm CO2-Emission pro Stunde verursachen, statt fünf im neuesten Mobilfunkstandard 5G? Das und vieles mehr ist im  13-seitigen Papier »Energie- und Ressourceneffizienz digitaler Infrastrukturen« nachzulesen. Experten des Forschungsprojekts »Green Cloud-Computing« haben es im Auftrag des Umweltbundesamts vergangenen September vorlegten und schlagen politische Handlungsempfehlungen vor.


Nach SUV-, Flug- und Fleisch-Scham nun also eine neue Diffamierungskampagne und jeden Menge staatliche Bevormundung, die am Ende den Katalog angeblicher Umweltsünden um das Digitale erweitere,  hören wir so manchen Freigeist schon jetzt schimpfen, der sein Recht auf individualistischen Lebensentwurf auch dann noch zu verteidigen bereit ist, wenn ihm das Wasser der ansteigenden Meere bis zum Hals steht. Und der brüllt, dass die Datenlage zur Klimawirkung digitaler Infrastrukturen doch »mehr als dürftig ist«, wie Bundesumweltministerin Svenja Schulze leider zugeben muss. Man weiß, dass die Zahl der Rechenzentren stetig steigt, die Digitalisierung den Energiebedarf insgesamt massiv steigen lässt. Was man nicht weiß: Wie viele Datacenter es in der EU überhaupt gibt. Ein entsprechendes Kataster soll erst erstellt werden. Zahlen zum Verbrauch und Prognosen über den Stromhunger der Datacenter  liegen dagegen vor.


Energieeffizienz steigt, Stromhunger auch
In Frankfurt am Main, wichtiger Internetkotenpunkt und daher Sitz besonders vieler Rechenzentren, geht rund ein Fünftel des Stromverbrauchs auf das Konto der Datacenter-Betreiber. Alle Rechenzentren in Deutschland verbrauchen in etwa so viel Strom wie die Bundeshauptstadt Berlin. Die französische Agentur für Umwelt und Energiemanagement ADEME rechnet damit, dass in zehn Jahren 13 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs auf Rechenzentren entfällt. Über 1.100 Atommeiler bräuchte man dafür – Hunderte Milliarden Clients noch gar nicht eingerechnet, die einzeln gezählt nur vergleichsweise wenig Strom benötigen, weltweit addiert und die Häufigkeit ihrer Nutzung vor allem von Smartphones einberechnet indes so viel  Strom benötigen würden, wie ihn über 4.000 Kernreaktoren generieren, so ADEME.


Genaue Zahlen zum Stromverbrauch in Deutschland liegen für 2018 vor. Da lag der Bruttostromverbrauch bei 595 Terawattstunden (TWh), das sind 595 Milliarden Kilowattstunden. Wenn der Klimaschutz im gegenwärtigen Tempo vorangehe, wären es 2030 trotzdem  643 TWh, heben mehrerer Institute für die Denkfabriken Agora Energiewende und Verkehrswende sowie die Stiftung Klimaneutralität in ihren Studien hervor. Bis 2050 dürften Öl, Kohle und Erdgas dann gar keine Rolle mehr spielen, dafür müsste Wasserstoff als Energieträger hergestellt werden. Das könnte den Strombedarf auf 963 TWh steigen lassen – 62 Prozent mehr als 2018. Was die Hersteller von Chips, Server und Storage-Systeme an Innovationen hervorbringen, um eine bessere Effizienz und weniger Energieaufnahme zu erreichen, macht das Wachstums des Digitalen unter dem Strich wieder zunichte.

Klar wird daraus: Klimaschutz und Energiewende sind eine generationenübergreifende Jahrhundertaufgabe, bei der es gelingen muss, Wachstum zu sichern und die Umwelt zu bewahren. Ökonomie und Ökologie sind kein Widerspruch, sondern eine notwendige, überlebenswichtige  Symbiose für künftige Generationen.


Blauer Engel für Datacenter
Digitalisierung müsse umweltfreundlich sein, es brauche eine gemeinsame Positionierung und Standards in der EU, sagt Bundesumweltministerin Schulze. Ein Leuchtturmprojekt muss her, mit ambitionierten Zielen nicht nur bei Datensicherheit und Datensouveränität, sondern auch im Hinblick auf Klimaschutz. Gaia-X, die europäische Antwort auf US-amerikanische Hyperscaler, soll es laut Experten des Positionspapiers werden. »Gaia-X-Rechenzentren am Standort Deutschland müssen die Kriterien des Blauen Engels für Rechenzentren erfüllen«, heißt es in Punkt 3, das sich mit Planung, Betrieb und Entsorgung im Datacenter befasst.


Von seiner Lenkungswirkung in Richtung Ökologie hat der Bund endlich auch am Kapitalmarkt gebraucht gemacht und im September und November die ersten grünen Bundeswertpapiere emittiert. 11,5 Milliarden Euro in 2020 will der Bund mit diesen grünen Obligationen einnehmen und zwei Ziele erreichen: Einerseits die eigenen Nachhaltigkeitsbemühungen transparent zu machen und anderseits eine grüne Renditekurve für den Euroraum zu etablieren, damit Investoren eine Benchmark  erhalten und ihrerseits mehr grüne Anlagepapiere emittieren, die sich an der Zinsreferenz im »Euro Green Finance Markt« orientieren.

 

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