Zwischenhandel unerwünscht

Amazon kappt Geschäfte mit Distributoren

22. März 2023, 14:11 Uhr | Martin Fryba
© Amazon

Amazon will beim Großhandel keine Waren mehr bestellen und direkt bei Herstellern ordern. Der Etailer hofft Kosten zu sparen. Letztlich könnte der Schritt befreiend für Distributoren sein, die Amazons Geschäftsgebaren für existenzschädigend halten. Viele haben Amazon längst den Rücken gekehrt.

Amazon setzt seit Monaten an vielen Konzernstellen den Rotstift an. Nun hat der Etailer auch seine Warenbeschaffung durchleuchtet und den Einkauf bei Zwischenhändlern offenbar als zu hohen Kostenfaktor entdeckt. Folge: Großhändler und Distributoren in Europa erhielten Mitte Februar ein Schreiben von Amazon, indem der Etailer mitteilt, von Großhändlern und Distributoren keine Waren mehr bestellen zu wollen. Die aktuellen Geschäftsbeziehungen würden ab April beendet. In der Übergangszeit sollen sich Großhändler auf das Ende ihrer Amazon-Belieferungen einstellen können. Als erster berichtete das US-Nachrichtenportal CNBC über den Inhalt des Schreibens.

„Wie alle Unternehmen überprüfen wir regelmäßig unsere Vorgehensweise bei der Produktbeschaffung, um unsere Kosten zu kontrollieren und die Preise für unsere Kunden niedrig zu halten. Vor diesem Hintergrund haben wir beschlossen, bestimmte Produkte für unsere europäischen Geschäfte direkt von den Markeninhabern zu beziehen“, bestätigte eine Amazon-Sprecherin gegenüber connect channel.

Durch den Einkauf direkt bei Herstellern könnte Amazon über Preise und Verfügbarkeiten mehr Kontrolle gewinnen. Ausgenommen von der neuen Einkaufspolitik sollen Distributoren oder Vermarkter sein, die als exklusiver Fulfillmentdienstleister für Hersteller die Amazonbelieferung managen. „Wir werden auch weiterhin Produkte von Großhändlern und Distributoren beziehen, wenn diese Eigentümer der Marke sind oder das alleinige Vertriebsrecht haben. Großhändler und Distributoren sind nach wie vor willkommen, mit Amazon zusammenzuarbeiten und können sich dafür entscheiden, diese Produkte über Amazon Marketplace als Drittverkäufer direkt an Kunden in unserem Shop zu verkaufen", erklärt die Amazon-Sprecherin.

Das aber dürften nur die wenigsten sein, denn auf eine Exklusiv-Distribution lassen sich nicht viele Hersteller ein, die in die Breite des Marktes drängen.

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„Logistik und kommerzielles Account-Management für mehrere tausend Kunden in einer perfekt geölten Maschinerie aufzubrechen, wird die Kosten an verschiedenen Stellen erhöhen“, sagt Ernesto Schmutter.
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Ob Amazon mit diesem Schritt tatsächlich Kosten sparen kann, bezweifeln Handelsexperten aus der IT-Branche. Das Einsparpotenzial hält Ernesto Schmutter für „vermutlich doch recht überschaubar, wenn überhaupt vorhanden“. Die Umstellung könnte sogar das Gegenteil bewirken. „Logistik und kommerzielles Account-Management für mehrere tausend Kunden in einer perfekt geölten Maschinerie aufzubrechen, wird die Kosten an verschiedenen Stellen erhöhen“, sagt der Ex-Chef von Ingram Micro Deutschland.

Kein Kostenvorteil, sondern Gelenkschmerzen
„Es ist im Prinzip so, wie wenn man ein Gelenk zwischen zwei Knochen entfernt und erwartet, dass es danach irgendwie besser läuft“. Hinzu komme, dass die heutige Supply-Chain der Distributoren laut Schmutter „großen Synergiemöglichkeiten biete“, die Amazon aber offenbar so nicht erkennt. Kurzfristig würde der Großhandel freilich an Volumen und somit an Auslastung verlieren, so Schmutter, der als Inhaber der Carica GmbH viele Hersteller und Distributoren in Channel- und Vertriebsfragen berät.


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