Editorial 21/2015

Das Dilemma der IT-Branche

21. Mai 2015, 17:07 Uhr | Peter Tischer
© ICT CHANNEL

Mietmodelle gelten als neue Erfolgsgeschichte innerhalb der ITK-Branche. Doch die Transformation der IT hat ihre Tücken, denn noch kann auf das traditionelle Projekt- und Handelsgeschäft nicht ganz verzichtet werden.

Angenommen alle Anwenderkunden würden ab heute keine Server und Netzwerkprodukte mehr kaufen, weder Storage-Systeme noch Firewalls und erst recht keine Drucker und vollwertige Clients mehr erwerben wollen. Stattdessen würden Anwender, wie jeder Unternehmensberater es raten würde, die benötigte ITK-Dienste von externen Providern einkaufen und sie bezugsfertig nach verbrauchten Kapazitäten per monatlicher Rechnungsstellung in ein flexibles Mietmodell überführen. Cloud, Managed Services, gehostete Shared-Services wie virtueller Desktop werden ja von Visionären als die innovativen Varianten der ITK-Nutzung, als Arbeitsplatz der Zukunft, gepriesen. Es hätte für die ITK-Anbieter, vor allem für Systemhäuser, aber auch Hersteller fatale Folgen, und zwar aus mehreren Gründen.

Schließen wir die Diskussion um die technologische Machbarkeit einen mal aus und bleiben allein bei den kaufmännischen Effekten dieser Hypothese. Der Produktverkauf handeltreibender Systemhäuser würde aufgrund des Fehlens von Projektgeschäften einbrechen, die Distribution wäre zum großen Teil ihrer Geschäftsgrund­lage beraubt. An den Börsen würden die wegfallenden Erlöse und Gewinne zu erdrutschartigen Kursverlusten führen, Aktien als Akquisitionswährung wären hinfällig. Bisherige Provisionsmodelle im Systemhausvertrieb würden schlagartig an Attraktivität verlieren, die Herstellervergütungen an den Resellerkanal zusammenbrechen. Liquiditätslücken würden sich auftun, die Finanzierung des operativen Geschäfts, vor allem der Mitarbeiter, wäre ungesichert.

Dieses Dilemma der IT-Branche zeigt sich so radikal freilich nicht, weil der Wandel der Kundenbedürfnisse nur allmählich von statten geht. Herausfordernd ist diese Entwicklung jedoch allemal: ­Das traditionelle Projekt- und Handelsgeschäft nicht aufgeben und gleichzeitig Kapazitäten für das lukrative vertragsgebundene IT-Delivery-Modell der Zukunft bereitstellen. Nicht nur Anwenderkunden trifft die viel diskutierte Transformation der IT unvorbereitet, auch viele IT-Unternehmen selbst begegnen dieser Entwicklung ohne schlüssige Strategien für ihre eigene Zukunft.

Mit den besten Grüßen,

Martin Fryba
CRN-Chefredakteur


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