Diesel-Alternativen händeringend gesucht

Verbrenner-Aus trifft Unternehmen und Rechenzentren

1. April 2023, 0:01 Uhr | Lars Bube
Datacenter im Diesel-Dilemma
© Natascha - AdobeStock

Das Verbot für Verbrenner-Motoren stellt viele Unternehmen und Datacenter-Betreiber vor ein gewaltiges Problem. Sie müssen sich nach Alternativen für ihre alten Diesel-Notstromaggregate umschauen. Einen Vorgeschmack auf das zu erwartende Chaos gibt es derzeit schon in München.

Ab 2035 dürfen in der EU keine Verbrennungsmotoren mehr verkauft werden, es sei denn, sie werden überwiegend mit E-Fuels betrieben. Vor allem in der deutschen Automobil-Branche und bei Benzin-Affectionados sorgt dieser Beschluss seit Wochen für hitzige Diskussionen. Doch auch andere Bereiche steuern damit geradewegs auf ein gravierendes Problem zu, oft noch ohne sich dessen bewusst zu sein. Dazu gehören beispielsweise tausende Unternehmen in Deutschland, die Stromausfälle mit Dieselaggregaten mit Dieselmotoren überbrücken. In besonderem Maße gilt das für Rechenzentrumsbetreiber, die den reibungslosen Weiterbetrieb alleine schon aufgrund der KRITIS-Vorgaben sicherstellen müssen. „Viele CPOs [Chief Power Officer] haben das Thema noch gar nicht auf dem Schirm, oder ignorieren es in der Hoffnung, dass sich bis dahin eine andere Lösung finden wird“, warnt Erzwo Dezwo, Vorsitzender der Fachgruppe C3PO im Verband der Dieselnotstrom-Erzeuger (VDE).

Dabei drängt die Zeit schon jetzt, denn viele Aggregatshersteller haben unmittelbar nach der Bekanntgabe der EU angekündigt, die Entwicklung und Produktion neuer Dieselmotoren schon früher einzustellen, um sich auf neue Geschäftsfelder konzentrieren zu können. Mit McLaren ist einer der wichtigsten Hersteller leistungsstarker Notstrom-Aggregate aus Protest sogar unmittelbar komplett aus dem Diesel-Geschäft ausgestiegen und verkauft nun nur noch seine Restbestände. Hier heißt es also schnell zuzugreifen und sich Ersatz zu sichern, gerade wenn das alte Triebwerk schon jetzt Ermüdungserscheinungen zeigt. Doch selbst wer einen zweiten Diesel im Keller hat, ist damit noch nicht unbedingt aus dem Schneider. Denn auch die Beschaffung entsprechender Kraftstoffe dürfte sich nach Ansicht des VDE künftig als zunehmend schwierig und teuer erweisen. Unter Umständen kann es dann deutlich billiger sein, die Arbeit für einige Tage auszusetzen oder soweit möglich ins Home Office zu verlagern, als das Geld durch den Auspuff herauszujagen und dafür zusätzlich noch teure CO2-Zertifikate nachkaufen zu müssen.

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Kaum ein Notstromer schafft die Euro 5

Notstromaggregat
In München dürfen die Keller-Diesel nur noch außerhalb des mittleren Rings genutzt werden
© Connect Channel

Wozu ein Verschleppen des Problems in der Praxis führen kann, lässt sich derzeit eindrucksvoll in München beobachten. Hier mussten seit Anfang des Jahres einige innerhalb des mittleren Rings situierte Konzerne feststellen, dass ihre Diesel die Euro-5-Norm nicht erfüllen und deshalb bei einem Stromausfall nicht mehr angeworfen werden dürfen. Sie stehen im Ernstfall nun ohne Notstromversorgung da. Darauf zu hoffen, dass dieser Fall nicht eintritt oder von den Behörden nicht bemerkt wird, wäre leichtsinnig. Die Grüne KVR-Chefin Hanna Sammüller-Gradl hat bereits angekündigt, die Einhaltung der Abgasnormen durch die Firmen brutalstmöglich zu kontrollieren und dafür ein eigenes Team aus Inspekteuren eingestellt, die vor den einschlägigen Firmenzentralen patroullieren. Zudem wurde die Parküberwachung angewiesen, ebenfalls auf rauchende Notstrom-Schlote zu achten.

Während auf der Straße mit Elektroantrieben zumindest ein halbwegs adäquater Ersatz zur Verfügung steht, ist die Lage im Notstrom-Bereich deutlich düsterer. Elektromotoren taugen im Fall eines Stromausfalls nicht und auch der Umstieg auf Wasserstoff ist mit einigen Herausforderungen und Kosten verbunden. Als schneller Ausweg stehen den Firmen deshalb derzeit lediglich Akkupacks in Containern zur Miete oder zum Kauf zur Verfügung. Auch die sind jedoch alles andere als günstig. VDE-Manager Dezwo empfiehlt den Verbandsmitgliedern deshalb einen außergewöhnlichen Weg, der sich in München bereits unter anderem bei Siemens bewährt hat: „Wer schnell ist, kann sich noch bis Ende Juni für eine Ausnahmegenehmigung der EU qualifizieren, indem er sein Firmengebäude als Kreuzfahrtschiff anmeldet – zumindest, wenn dieses die Mindestanforderung von 17.000 Bruttoregistertonnen und 150 Kabinen, also Büros, erfüllt. In den meisten Fällen ist das locker gegeben.“ Ein Weg, der bei näherer Betrachtung nicht so abwegig ist, wie er auf den ersten Blick scheinen mag. Immerhin herrschen in vielen Unternehmensgebäuden sowieso paradiesische Bedingungen wie auf einem Kreuzfahrtschiff. Sterne-Kantine, Fitness-Center, Spielhallen mit Playstation und Kicker, Kaffe-Bars und weitere Annehmlichkeiten gehören heute schließlich sowieso zum guten Ton, wenn man einige der wenigen guten Fachkräfte für sich gewinnen und wenigstens ab und an ins Büro locken will.

[Das war selbstverständlich ein Aprilscherz]


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