Docuware im Cloud-Business angekommen

„Es sind auch Tränen geflossen“

21. April 2023, 8:10 Uhr | Martin Fryba
„Über 3.000 Neukunden verzeichneten wir 2022. Rund 80 Prozent haben sich für eine Cloud-Lösung entschieden“, sagt Docuware-Chef Max Ertl im Gespräch mit connect channel.
© connect channel

Nur Fußnote im Geschäftsbericht der Konzern-Mutter Ricoh? Das stört Geschäftsführer Max Ertl nicht. Von der boomenden Cloud-Nachfrage profitieren der DMS-Spezialist und seine Partner. Zu Besuch bei einem Manager, der Bananen-Software nicht mag und trotzdem in den USA reüssiert.

In den USA müssen 55 Millionen Angestellte, ein Drittel aller Arbeitnehmer, nicht mehr ins Büro, weil sie ihre Arbeit von zuhause aus erledigen können. Max Ertl, der gemeinsam mit Michael Berger das Software-Unternehmen Docuware leitet, hatte diese Statistik unlängst auf Linkedin geteilt. Wären wir dem Beispiel gefolgt und hätten uns mit dem für Vertrieb und Marketing verantwortlichen Geschäftsführer Ertl virtuell zum Gespräch verabredet, wir hätten freilich auch so Antworten auf alle Fragen erhalten. Er auf Dienstreise in den USA, wir an unserem Schreibtisch zuhause, vereint und verbunden mit Zoom oder Teams. Was uns entgangen wäre: Auch aus Architektur spricht Haltung und Firmenkultur, auch sie konstituiert Arbeitswelt, die in „new“ und meist remote Work nicht annähernd Berücksichtigung finden kann. Die neue Firmenzentrale von Docuware in der eher tristen Münchner Vorort-Schlafstätte Germering ist von außen betrachtet unspektakulär. Das Innere indes strahlt eine angenehme Arbeitsatmosphäre aus, die

zur Zusammenarbeit einlädt. Viele große Glasfronten lassen Licht in die Besprechungsräume, die Küche direkt gegenüber dem zentralen Empfang im dritten Stock ist ideal gelegen, um sich zwanglos mit Kollegen auszutauschen. Die begrünte Dachterrasse öffnet ab Frühjahr. Max Ertl begleiten wir von seinem Einzelbüro in den freundlichen Besprechungsraum, vorbei an kleinen schallgeschützten Einzelräumen, wo Mitarbeiter ungestört mit Kunden oder Partnern telefonieren können.

Homeoffice treibt das DMS-Geschäft
Ertl streift kurz die Zeit, als er vor rund 20 Jahren bei Docuware startete, man die Software noch auf CDs brennen ließ und die Scheiben fleißig an Partner verteilte. Homeoffice war noch kein Thema, die Cloud auch nicht. Beides sind nun Treiber des Geschäfts, haben die deutschen DMS-Unternehmen grundlegend verändert. „Docuware ist nicht mehr die Docuware wie noch vor zehn Jahren“, sagt Ertl. Der ehemalige Manager beim Siemenskonzern hatte schon einmal eine Goldgräberzeit mitgemacht, als es in den 80er und 90er Jahren noch PCs vom Münchner Technologiekonzern gegeben hatte. Lange vor der Cloud überlegten einige wenige Vordenker, ob man Software nicht auch über Telefonleitungen distribuieren könnte – damals noch unter ASP (Application Service Providing), was nie richtig funktionierte. Heute ist der Cloud-Bezug bei Docuware Standard: „Über 3.000 Neukunden verzeichneten wir 2022. Rund 80 Prozent haben sich für eine Cloud-Lösung entschieden“, sagt der Docuware-Chef.

„Es sind auch Tränen geflossen“
Wie ist das möglich? Wo doch der Wettbewerb aus dem deutschen Mittelstand für DMS-Lösungen noch lange nicht so weit ist und teils auch seine Cloud-skeptischen Partner überzeugen muss. „Bei Docuware gab es von Anfang an keine funktionalen Unterschiede zwischen Cloud- und On-Prem-Lösungen“, sagt Ertl. Eine Art Cloud light oder abgespeckte Versionen gibt es nicht. Da blieben die Bayern konsequent, als vor über zehn Jahren die Strategie der Cloudifizierung des Portfolios getroffen worden war. Kein leichter Weg und ein teurer dazu. Man habe viel Geld für eine identische Bereitstellung der Lösungen investiert, es seien auch „Tränen geflossen“, blickt Ertl zurück. Der Erfolg dieser Strategie zahlt sich nun aus.

Durchbruch bei Cloud
Den Umsatz konnte Docuware mit seinen rund 430 Mitarbeitern im Kalenderjahr 2022 um rund 20 Prozent steigern, geschätzt dürfte Docuware in naher Zukunft die 100-Millionen-Euro-Marke erreicht haben. Genaue Zahlen kann Docuware nicht mehr nennen, seit die Germeringer 2019 von Ricoh gekauft wurden. Dass Docuware in der Bilanz des japanischen Milliarden-Konzerns nur noch als Fußnote auftaucht, kratzt nicht im mindesten am Selbstbewusstsein der deutschen Tochter.

Den 8.700 Kunden, die Docuware-Applikationen klassisch on-prem nutzen, stehen 7.900 Cloud-Kunden gegenüber. Erstmals überschritten die Erlöse aus der Cloud, zehn Jahre nach Einführung, jene aus dem On-Prem-Geschäft. Zudem hat Docuware einen Fuß im US-Markt, den man 2001 mit Hilfe eines Distributionspartners zu erschließen begann. Rund ein Drittel der Erlöse erzielt der Softwarehersteller in den USA. Es gibt nur wenige deutsche Softwarehersteller aus dem Mittelstand, die für sich so früh und so nachhaltig den US-amerikanischen Markt erschlossen haben. Docuware gehört dazu.

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