Branchentreffen Systemhäuser und MSPs

Fünf Learnings zum Mitnehmen von der Synaxon-Impulse

17. April 2023, 15:52 Uhr | Martin Fryba
Einen solchen Rückgang der IT-Dienstleister wie 2020 und 2021 habe es „noch nie gegeben“, sagt Synaxon Chef Frank Roebersm (li) im Pressegespräch mit connect channel. Vorstandskollege Mark Schröder betont die Chancen dieses Trends.
© connect channel

Rekorde bei den Teilnehmern und Themen: Noch nie war ein Branchentreffen der Kooperation Synaxon so gut besucht und prall gefüllt wie die Impulse 2023 in Kassel. Vorab war bereits klar: Eine Rückkehr zur Normalität nach der Corona-Pandemie ist ausgeschlossen.

Fokussierung ist in einer zunehmend komplexen IT-Branche wichtiger denn je. Das gilt nicht nur für Technologien, sondern auch für Besucher eines inhaltlich so dichten Branchentreffens wie der Impulse von Synaxon in Kassel. Das Programm eines Systemhaus-Chef könnte an diesem Kongress-Tag – theoretisch – so aussehen: 10 Vorträge á 20 Minuten sind aus den insgesamt 40 Vorträge auszuwählen, die in fünf Zeitblöcke jeweils zwei Mal gehalten werden – ein Thema relevanter als das andere. Dazu die kurzen Eröffnung- und Schluss-Sessions im Plenum. Standbesuch bei den jeweils über 20 ausstellenden Sponsoren, dazwischen viel Networking und Gespräche mit Branchenkollegen – Vorabend und Afterwork-Party nach dem Tagungsprogramm.

Der Tag müsste 30 Stunden und mehr haben, um die alle Impulse für das eigene Business mit nach Hause zu nehmen, und auch dann würde ein Systemhaus-Teilnehmer nicht alle spannenden Themen mitbekommen haben. Er teilt das Schicksal der Überfülle (nicht des Überflusses, wohlgemerkt!) mit dem Fachjournalisten. So heißt es also auswählen, sich beschränken auf das, was man für beachtenswert hält. Fünf Learnings von der Impulse 2023, die rund 600 Besucher zählte und damit so viele wie noch nie auf einem Branchentreffen der Systemhauskooperation Synaxon.

Stress-Resilienz: GFs und Führungskräfte müssen noch mehr abhärten, zugleich emphatischer werden. Alternative: Hinwerfen!
Einen Zustand der „Normalität“, wenn es den im Systemhaus-Business je gegeben hat, den gibt es nach der Corona-Pandemie erst recht nicht. Eine Krise folgt der nächsten: Ukraine-Krieg, rasant steigende Preise, hohe Inflation, Vervielfachung der Zinsen und geopolitisch beunruhigende Entwicklungen. Unsicherheiten und drohender Wohlstandsverlust belasten Millionen Menschen materiell und psychisch. Synaxon-Chef Frank Roebers spricht von einem „Dauerzustand der Erschöpfung“ und registriert eine Zunahme psychischer Erkrankungen als Folge der Pandemie und nicht enden wollender weiterer Krisen. Unternehmer und Führungskräfte eingeschlossen, die den Druck persönlich und in Belegschaft spüren und dennoch Zuversicht und so etwas wie Optimismus ausstrahlen sollten. „Die Rolle von Führungskräften hat sich erweitert“, beobachtet er. Man müsse viel mehr zuhören, Ängste auffangen und für betroffene Mitarbeiter externe Hilfen organisieren. Das alles unter eigentlich hervorragenden Business-Perspektiven oder wie Roebers mit Blick auf den IT-Markt von „traumhaften Bedingungen“ spricht.

Denn die Nachfrage nach Digitalisierung sei hoch, sie werde vorerst auch hoch bleiben, weil immer mehr auch größere Unternehmen ab 100 Mitarbeitern eher keine eigenen IT-Abteilungen mehr haben werden und daher Systemhäuser als externe IT-Dienstleister noch mehr ins Spiel kämen als sie ohnehin schon extern den IT-Betrieb für ihre Kunden sicherstellen. Damit Chefs und ihre Führungskräfte zwischen Alptraum und rosiger Zukunft ihre Motivations- und Gestaltungskraft nicht verlieren, müssen sie sich gegen die krisenhafte Gemengelage stemmen und ihre Stress-Resilienz erhöhen. Das freilich gelingt nicht jedem, beziehungsweise nicht jeder IT-Unternehmer ist bereit, um jeden Preis für ein immer gut temperiertes Wohlfühlklima in seiner Firma zu sorgen. Zumal auch das kein Garant dafür ist, dass gute Fachkräfte bleiben. „Es herrscht Hauen und Stechen um Personal“, berichtet Roebers vom Fachkräftemangel. Einige IT-Unternehmer haben bereits reagiert, ihr Systemhaus auf 0 Mitarbeiter gesetzt oder verkauft. Ganz kleine IT-Häuser, beziehungsweise immer mehr Freelancer, verschwinden von Markt. „Pro Jahr circa 1.000, und nicht etwa, weil sie in die Pleite geschlittert sind. Einen solchen Rückgang hat es im Markt der IT-Dienstleister noch nie gegeben“, kommentiert Roebers im Pressegespräch mit connect channel die dramatische Entwicklung.

Preis- und Komplexitätsspirale
Wer das Thema Mitarbeiter beherrsche, für den stünden die Chancen auf Wachstum sehr gut. Gleiches gelte auch für Technologie. Roebers Kollege im Synaxon-Vorstand Mark Schröder spricht hier von einer Komplexitäts-Spirale, die sich zunehmend schneller dreht und Systemhäusern dennoch abverlangt, Kunden mit klaren, verständlichen und preislich attraktiven IT-Konzepten zu überzeugen. Nicht leicht, wenn man seit Jahrzehnten technologisch und sprachlich in seiner IT-Bubble gefangen ist und Augenhöhe voraussetzt, wo sie vor lauter Multicloud, XaaS und innovativen KI- oder Security-Tools im Wochenrhythmus verloren geht. So wundert es nicht, wenn ein Branchenfremder (Autoverkäufer) bei der Synaxon-Tochter Einsnulleins mit den Managed Service-Konzepten im Franchise „der erfolgreichste Verkäufer“ sei, wie Schröder anmerkt. Der Kollege in Mainz kniet sich bisweilen tief ins Webinar über eine IT-Infrastrukturanalyse rein, ist aber dank partnerschaftlicher Vernetzung im Verbund recht schnell in der Lage, einer internationalen Anwaltskanzlei ein Angebot über den Client-Betrieb zu unterbreiten. Ein starkes Netzwerk hilft gegen die Komplexitätsspirale.

Und gegen die Preisspirale, die sich im IT-Servicemarkt ganz aktuell sehr schnell dreht? Bislang jedenfalls profitieren am meisten die Hersteller und Anbieter. „Die Cloud-Preise explodieren“, sagt Schröder. Fast die Hälfte der vergangenes Jahr von Synaxon befragten Systemhäuser wird die Preise 2023 moderat erhöhen (bis 10 Prozent), 30 Prozent will sie stabil halten. Von „Erhöhungen“ will Thorsten Podzimek, Geschäftsführer Sac, nicht sprechen, sondern „Anpassungen“ an die Inflation – und zwar sowohl bei den Gehältern als auch bei Stundensätzen und gegeben falls Managed Services, die Kunden zu bezahlen haben. Wichtig: den Kunden die Anpassungen transparent machen, „den Erklärbär rausholen“, rät Podzimek.

You Hate it? Automate it! (Leider noch nicht gelernt)
Dieser schöne Claim stammt vom RPA-Spezialisten UiPath aus den USA, und es gibt kaum eine IT-Konferenz, auf der nicht von Automation die Rede ist. Nur leider muss Synaxon-Vorstand Mark Schröder feststellen, „ist der Automatisierungsgrad in der IT erschreckend niedrig“. In den MSP Operation Centern würden noch viele regelmäßigen Aufgaben manuell erledigt, auch bei Synaxon, räumt Schröder ein. Das hat sicher viel mit der Komplexität der aus vielen Hersteller-Lösungen gebündelten Service-Pakete zu tun. Teils auch mit ineffizienter Organisation der Techniker-Teams oder schlicht mit bisher wenig durchdachten Prozessabläufen. Sind Routinen aber erst einmal gestört, der IT-Betrieb eines Kunden zum Beispiel bei einem Hackerangriff lahmgelegt, werden organisatorische Mängel schnell sichtbar.

Gut, wer als Dienstleister mit seinem Kunden einen IT-Notfallplan ausgearbeitet hat und weiß, was als erstes zu tun ist.  Oder besser gleich das Netzwerk eines Kunden jede Nacht nach allen bekannten und neuen Sicherheitslücken scannen lassen und einen Überblick erhalten. Unter „vollautomatisiertes IT-Housekeeping“ laufen die vielen Tools, die Thorsten Podzimeks SAC auch Systemhäusern für deren Automatisierung anbietet. Man muss nicht jedes Zahnrad für ein MSP-Getriebe selbst erfinden, es gibt schon viele, sogar von Partnern im eigenen Systemhausnetzwerk.

Warum Hardware doch wieder sexy ist
95 Prozent der Materie dreht sich um Software und unternehmensstrategische Themen, fünf Prozent um Hardware. Kein IT-Event, auf dem nicht von Cloud, KI und Plattformen die Rede ist. Dass bei Synaxon IT-Experte Boris Hajek mit seiner Terraxaler zum drittbesten Vortragenden gewählt wurde, liegt ja nicht nur an seinem rhetorischen Geschick. Es hat auch mit den stromsparenden HPC-Maschinen von Wortmann zu tun, die man ideal in VDI-Umgebungen einsetzen und damit Geld verdienen kann. Hardware haftet, völlig zu Unrecht, das Image des Kistenschiebers an. Jeder Disti will heute Technologieanbieter sein, lieber über Cloud und seinen XaaS-Marktplatz sprechen. Dabei ist es doch so: Cloud-Applikationen und selbst Chat GPT sind auf „Blech“ in einem Rechenzentrum angewiesen. Ohne Hardware, keine digitale Transformation, keine KI-Revolution. Hardware, entweder im IT-Handel oder als fester Bestandteil im Projektgeschäft, gehört auch weiterhin zur festen Säule vieler Systemhäuser. Und wirft wieder mehr Marge ab. „Die Handesspanne im Hardwaregeschäft ist wieder gestiegen“, sagt Synaxon-Chef Frank Roebers und taxiert die Marke bei rund 20 Prozent. „Es wird hier wieder Geld verdient“. Die Kombination aus MSP und Clients „aus einer Hand“ treffe auf Kunden, die wegen ein paar Euro eher nicht zu zwei Lieferanten greifen.

Und auch aus einem anderen Grund können Umsätze mit Hardware sexy sein: Will ein IT-Unternehmer sein Haus verkaufen, kann der Erlös aus Hardware helfen, eine bestimmte Umsatzgröße zu überschreiten und so in den Fokus von Investoren kommen (connect channel berichtete).

Und schließlich verdankt Synaxon seine Position im Markt nicht zuletzt auch den Hardwareverkäufen über seine zentrale Einkaufsplattform Egis, die vor genau 20 Jahren gegründet wurde und die mit einem Volumen von aktuell rund einer Milliarde Euro ein Meilenstein in der Geschichte des Systemhauskooperation ist.

Feste feiern, wenn sie fallen? Nö!
Zum „neuen Normal“ nach Corona gehört es auch, dass so manche Lebenserfahrungen aus traditionell Gelerntem aufgehoben ist. 1991 wurde Synaxon gegründet, ergo hätte man 2021 das 30-jährige Firmenjubiläum feiern müssen – Mitten in der Pandemie. Mit virtuellen Gästen vor Monitoren? Undenkbar für eine Kooperation, die wie kein anderes IT-Unternehmen von und mit der persönlichen Vernetzung ihrer Mitglieder lebt. Also wurde in Kassel nach einem dicht gepackten Impulse-Tag kurzerhand der 30+2-Geburtstag mit Stargast und Comedian Paul Panzer gefeiert und dieser Meilenstein nachgeholt.

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