Digitale Unternehmensführung

KI schlägt CEO

24. März 2023, 11:42 Uhr | Lars Bube
© SappawatS - AdobeStock

Seit im Herbst eine Künstliche Intelligenz bei Netdragon Websoft das Ruder einer Tochterfirma übernommen hat, entwickeln sich der Umsatz und der Börsenkurs des Spieleherstellers steil nach oben.

Im Zuge des aktuellen Hypes um ChatGPT und andere KI-Lösungen ist eine heiße Diskussion darüber entbrannt, welche Arbeitsplätze künftig durch digitale Automatisierung ersetzt werden könnten. Die Palette der dabei im Fokus stehenden Jobs reicht von Assistenzen und Buchhalter über Marketingfachleute und Analysten bis hin zu Programmierern und Ingenieuren. Mancher CEO reibt sich angesichts dieser Aussichten auf eine Reduktion der Personalkosten schon die Hände und nutzt die wirtschaftlichen Umstände direkt zum vorsorglichen Abbau entsprechender Stellen. Dabei sollten sich die Unternehmenslenker allerdings auch auf ihren eigenen Chefsesseln nicht allzu sicher fühlen. Immer wieder betonen Experten, dass sich gerade im Management viele Aufgaben hervorragend für die Automatisierung mit Big Data und KI eignen.

Dass das auch in der Praxis funktionieren kann, beweist eindrucksvoll der Gaming-Konzern Netdragon Websoft, der mit mehr als zwei Milliarden US-Dollar Jahresumsatz alles andere als ein Leichtgewicht ist. Im vergangenen August setzte die Firma aus Hong Kong die KI „Tang Yu" auf den Chefsessel ihrer wichtigsten Tochter Fujian Netdragon. Seither kümmert sich die Software 24 Stunden am Tag um die wichtigsten CEO-Aufgaben, analysiert Märkte, Chancen und Performance sowie interne Prozesse und trifft darauf basierend strategische Geschäftsentscheidungen. Mit durchschlagendem Erfolg: Seither klettert der Umsatz so beständig nach oben, dass er den Börsenkurs des Konzerns um mehr als 18 Prozent nach oben katapultierte. Und das in einer Zeit, in der andere Unternehmen sichtlich mit dem wirtschaftlichen Umfeld zu kämpfen haben und der Börsenindex Hang Seng, der die wichtigsten 50 in Hong Kong gehandelten Firmen umfasst, knapp drei Prozent verlor. Damit stellt Tang Yu jeden ihrer menschlichen Vorgänger deutlich in den Schatten.

Dementsprechend zufrieden ist auch Konzernchef Dejian Liu mit seiner neuen Managerin. Zwar ist nicht bekannt, wie oft er noch in ihre Entscheidungen eingreifen muss, allzu häufig scheint sein Korrektiv jedoch nicht gefordert zu sein. Denn Liu zeigt sich fest überzeugt, „dass KI die Zukunft der Unternehmensführung ist". erklärt Liu. „Wir werden unsere Algorithmen hinter Tang Yu künftig weiter ausbauen, um ein offenes, interaktives und hochtransparentes Managementmodell aufzubauen, während wir schrittweise zu einer Metaverse-basierten Arbeitsgemeinschaft übergehen, die es uns ermöglicht, eine viel breitere Basis von Talenten weltweit anzuziehen und uns in die Lage versetzt, größere Ziele zu erreichen."

Und auch monetär ist die KI-Chefin ein Gewinn. Verglichen mit dem durchschnittlichen Gehalt eines CEOs sind die Kosten für die Entwicklung und den Betrieb der digitalen Führungskraft minimal – zumal sie problemlos beliebig viele Stellen gleichzeitig übernehmen und damit künftig sogar an andere Unternehmen vermietet werden kann. Ein durchschnittlicher CEO der Unternehmen in der Fortune-500-Liste verdient rund 16 Millionen Dollar jährlich und damit so viel wie rund 400 seiner Angestellten zusammen. Dabei steigen die Manager-Gehälter deutlich überproportional an. In den letzten 45 Jahren gingen sie im Schnitt um 1.460 Prozent nach oben, während es bei ihren Arbeitskräften nur 18 Prozent waren. Besonders groß ist die Differenz bei den Tech-Giganten. So durfte sich etwa Amazon-CEO Andy Jassey 2021 über eine Vergütung in Höhe von 213 Millionen Dollar freuen, so viel wie knapp 6.500 durchschnittliche Angestellte seines Unternehmens. Ein gigantisches Einsparpotenzial, das eigentlich jeden Unternehmenslenker frohlocken lassen müsste. Sie könnten sich dann für deutlich geringere Kosten als Hilfsarbeiter für die sowieso angenehmeren Aufgaben wie die Pflege der Unternehmenskultur und das Umsetzen der von der KI errechneten Strategie einbringen. Bleibt nur die Frage, ob sich eine KI-Managerin auch auf die Frauenquote anrechnen lässt.

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