SaaS-Vertrieb über Cloud-Marktplätze

Ritterschläge für Cloudblue

11. April 2022, 11:30 Uhr | Martin Fryba
Cloudblue DACH-Chef Tom Schröder: Kann mit Bechtle als Referenzkunden punkten - und bald schon mit weiteren Top-Systemhäusern
© Cloudblue

Der Gral für SaaS im Multi-Channel-Vertrieb liegt nicht im blauem Himmel, sondern recht irdisch bei Plattform-Anbieter Cloudblue. Bechtle greift danach. Das sei aber erst der Anfang, sagt DACH-Chef Tom Schröder und kündigt, ganz PR-Profi, einen „Knaller“ an. Gehts' noch spektakulärer? Aber ja.

Alles wird zum Service. Ob HPE, Cisco oder andere IT-Infrastruktur-Anbieter: Sie alle gehen den XaaS-Weg und wollen sämtliche IT-Aufgaben als Consumptional Service anbieten. Viele ihrer Partner wiederum setzen beim Vertrieb auf eigene Cloudmarktplätze. So wie vor mehr als 20 Jahren das E-Commerce-Geschäft mit physischen Produkten den ITK-Handel revolutionierte und Hersteller von Shopsystemen reüssierten, so positionieren sich Systemhäuser heute mit B2B-Cloudmarktplätzen im SaaS-Geschäft. Die Plattform und viele weiteren Zusatz-Services dafür liefern Hersteller wie Cloudblue. Tom Schröder, seit rund einem Jahr DACH-Chef der zum Ingram Micro-Konzern gehörenden Tochterfirma, kann einen prominenten Neukunden begrüßen. Bechtle Clouds wird die Cloudblue-Technologie für die Architekturen ihrer Marktplätze einsetzen, bestätigt der Manager im Gespräch mit ICT CHANNEL. Leuchtturm-Projekte wollte Schröder gewinnen. Nun leuchte der erste und bereichert die Neukundenliste bei Cloudblue.

Bei Enterprise-SaaS zählt Geschwindigkeit
2016 hatte Bechtle den Startschuss für ein Cloud-Marktplatzgeschäft gegeben und die Tochter Bechtle Clouds gegründet. Es war zugleich die große Karriere-Chance für Melanie Schüle: Sie wechselte als Cisco-BU-Leiterin an die Spitze der neuen Bechtle-Gesellschaft und führt nun, wenn man es so sagen will, ein Start-up in einem Traditionskonzern, der sich mit Schüles Team in einer der derezeit wachstumsstärksten Sparten der IT-Branche positioniert: SaaS. Allerdings schläft der Wettbewerb nicht.

Auch im Enterprise Marktplatz-Business gilt ein Stück weit die E-Commerce-Logik aus dem Consumer-Umfeld, wie man sie am Beispiel von Ebay, Uber oder Airbnb kennt: dass Geschwindigkeit und Größe korrespondieren müssen, weil der am schnellsten Expandierende sich das größte Stück vom Kuchen dauerhaft sichert. Melanie Schüle muss also aufs Tempo drücken: „schnell und unkompliziert ein umfassendes Portfolio an Mehrwert schaffenden Cloud-Services bereitstellen“, lautet ihre Devise. Dadurch stärke man „Flexibilität und Geschwindigkeit in der Realisierung individueller Cloud-Architekturen“, sagt die Bechtle-Managerin.

Das Luxusproblem für Bechtle und alle anderen klingenden Namen aus der Systemhausbranche: Die Hersteller stehen Schlange, um ihre Applikationen in die Marktplätze der Partner integrieren zu können, aber das technologische Onboarding sowie die Cloudifizierung von Softwareware ist personal- und zeitintensiv. Mit seinen globalen Ressourcen ist Cloudblue ein Katalysator des SaaS-Enablement - auch für ISVs - und bringt auch vertrieblich den Blick für „Channel Readiness“ mit.

Cloudblue will Top-Systemhäuser, aber auch kleine ISVs gewinnen
Neben Bechtle spricht Tom Schröder längst auch mit weiteren „Top-Systemhäusern“, wie er ICT CHANNEL bestätigt. Namen fallen keine, aber man wird wohl nicht falsch liegen, wenn man zum Beispiel Cancom einwirft, die ebenfalls schon einen Marktplatz etabliert haben und schnell wachsen wollen. Schröder ist optimistisch, dass „noch bis Jahresende“ weitere Verträge mit großen Systemhäusern unter Dach und Fach gebracht werden. Zur Jahresmitte verspricht er, ganz PR-Profil,  sogar einen „großen Knaller“.

Wenn sich Schröder was wünschen dürfte, dann wäre es eine schnellere Abschlussfreudigkeit der Klientel. Die wünscht sich freilich jeder hungrige Vertriebler. Aber Consumptional-Business von SaaS mag im Frontend eines Einkäufers so leicht ausschauen. Die Backend-Integration ist sehr komplex, umfasst viele Systeme und muss Prozesse über alle Vertriebsstufen hinweg konsistent berücksichtigen. Und nicht zuletzt muss sich Cloudblue für Systemhäuser, Provider, MSPs und ISVs rechnen. TCO-Betrachtungen beherrschen Schröder und sein Team, mit dem Ergebnis, dass Cloudblue meist günstiger sei als Eigenlösungen.  Das gelte jetzt auch für Softwarehersteller aus dem Mittelstand, denn mit dem Kauf der niederländischen Keenondots vergangenen Monat (ICT CHANNEL berichtete) hat Cloudblue den Blick nun auch auf kleinere Kunden gerichtet, so dass eine Linkando aus dem pfälzischen Landau ihre Meeting-Plattform mit kleinem Aufwand einem großem Publikum vorstellen kann (siehe Kasten).

Gartner hebt Cloudblue-Plattform für mehrstufigen Vertrieb hervor
Nach einem Jahr als DACH-Chef zieht Cloudblue-Manager Schröder ein positives Fazit: „Es läuft nach Plan“. Schützenhilfe kommt jetzt auch von Analystenseite. Gartner bescheinigt der Handelsplattform Cloudblue eine hochgradige Automatisierung, die „durch eine Erweiterung des Serviceangebots und die Diversifizierung der Einnahmequellen ein beschleunigtes Wachstum ermöglicht und so die Kundenbedürfnisse hinsichtlich Cloud-Services erfüllt“. Im „Market Guide for Marketplace Operations Applications“ heißt es: „Mit Cloudblue Commerce können Unternehmen mehrstufige Reseller-Marktplätze in mehreren Ländern, Sprachen und Währungen einrichten und verwalten. Cloudblue Commerce hilft zudem bei der Verwaltung von Bestellungen, Verträgen und Rechnungen, Abonnements und der gesamten Storefront, um den Verkauf an Endkunden und Reseller-Partner zu vereinfachen“.

Gral gefunden - bitte schneller entscheiden
Mit Gartner sowie Bechtle im Rücken und bald weiteren Top-Systemhäusern als Referenzkunden sind das Ritterschläge, für die auch Tarik Faouzi, Senior Vice President von Cloudblue, gerne sein rechtes Knie auf den Boden und sein Haupt andächtig senkt. Statt Ehre spricht er lieber sachlich-schlicht von „Beweis dafür, dass Cloudblue eine hervorragende Lösung für Channel-Partner ist, die nach einer sicheren Marktplatzlösung suchen“. Cloudblue hält ihnen also, um im Bild zu bleiben,  den Gral entgegen, den sie nicht mehr suchen müssen.

Nun müsste es doch mit Teufel zugehen, wenn Schröder in einem Jahr nicht von einer endlich weit über dem Plan liegenden Bilanz von Cloudblue wird berichten können. Das kann er vielleicht sogar, wenn Kunden ihre Zeit für Investitionsentscheidungen genauso verkürzen wie sich heutige SaaS-Integrationen in Marktplätze zügig erledigen lassen.

Nur kein Gesicht verlieren in der Hyperskalierung

Der Maschinenraum der Plattform-Ökonomie kann alles mit jedem und überall verbinden. Nehmen wir den mittelständische Softwarehersteller Linkando aus dem pfälzischen Landau. Mit Hilfe seiner SaaS-Lösung für spezielle Meetings kann das Board of Directors einer US-Firma ihre virtuelle Vorstandssitzung in Bosten rechtssicher durchführen. Es ist eine Applikation, die dieser Anwenderkunde auf dem Cloudmarktplatz seines IT-Beraters entdeckt und gemietet hat. Auf welcher Grundlage die Parteien im Beziehungsdreieck ISV – Systemhaus – Anwenderkunde handeln? Jedenfalls auf keiner, die eine lange und persönliche Verbundenheit voraussetzt,  wie man in der Welt des Handels gemeinhin glaubt, Geschäfte würden zwischen Menschen gemacht. Das wird wohl auch im SaaS-Zeitalter ein Stückt weit so bleiben. Doch persönliche Loyalitäten können sich im digitalen Vertrieb auch von Business-Lösungen abschwächen, sie sind jedenfalls nicht mehr zwingend erforderlich. Dennoch oder erst recht braucht auch die Plattformökonomie Anbieter, die als Mediatoren dank ihrer SaaS-distribuierenden Technologie die Partner zusammenführen können – und zwar über alle Landesgrenzen hinweg. Sie sind, wie zum Ingram Micro-Konzern gehörende Cloudblue virtuelle Brückenbauer, die ihren Platz Mitten im Beziehungsdreick zwischen ISV, Systemhaus und Anwenderkunde einnehmen.

SaaS-Marktplätze: Was Anbieter leisten müssen
Neu ist das Modell nicht. Jeder klassische Distributor mit Warenlogistik steht in der Mitte eines solchen Dreiecks - wenn er nicht ausschert und am Resellerkanal vorbei Geschäfte macht. Auch das gibt es und wird von manchen Grossisten gar nicht einmal so verdeckt praktiziert. Bleiben wird beim SaaS-Vertrieb über Cloudmarktplätze: dort haben wir die gleiche Grundkonstellation, allerdings unterscheidet sich der virtuelle Brücken schlagende Plattformanbieter deutlich von einem klassischen Volumendistibutor. Statt Lager braucht jener Leute. Und zwar viele, die mit ihrer Kompetenz für Softwareentwicklung gleich mehrere Wege bauen können: Cloudifizierung von On-Prem-Software für ISVs, Programmierung für Schnittstellen und  SaaS-Abrechnungsfähigkeit bis hin zum Frontend-Design diverser Kunden-Marktplätze samt Dashboard-Verwaltung sowie Angebote von Mehrwert-Services für die Betreiber von Cloudmarktplätzen wie Marketingunterstützung und interne Überzeugungsarbeit bei Vertriebsorganisationen, die im klassischen Projektverkauf unterwegs sind, aber in Richtung Consumptional Business der SaaS-Ökonomie marschieren sollen.

One SaaS fits all?
Ein SaaS-Plattformanbieter muss technologische und genügend personelle Ressourcen vorhalten, um seine Kunden Hyperskalierung des SaaS-Geschäfts zu ermöglichen. Und noch eine wichtige Frage seiner Kunden muss er beantworten können: Wenn alle Marktplatz-Kunden aus einem Maschinenraum des Plattformanbieters ihre Shops speisen, wie können sie sich vom Wettbewerb unterscheiden? Damit nicht alle Marktplätze wie ein Ei dem anderen gleichen, braucht es eine Logik, die Abgrenzungen möglich macht. Ist es das Frontend und das Nutzungserlebnis (Usability) eines Marktplatzes oder ein differenziertes Portfolio mit womöglich exklusiven Cloud-Diensten, die kein anderer anbietet?

Man stelle sich vor, Google würde seinen Playstore identisch einem anderen Store-Betreiber zur Verfügung stellen. Durch diese Syndizierung würde sich Google Wettbewerber des eigenen Geschäftsmodells heranziehen. Das wäre zwar im Interesse der vielen App-Anbieter, die ihre Marktpräsenz mit jedem weiteren syndizierten App-Store erheblich verbreitern würden. Googles Geschäft bekäme aber unliebsame Konkurrenz in der mobilen Android-Welt.

Analog dazu wollen sich B2B-Marktplatzbetreiber unterscheiden. Und zwar auch dann, wenn sie auf die Plattform desselben Anbieters zurückgreifen.  Man könnte freilich als Systemhaus eine eigene Plattform bauen, Softwareherstellern ein zügiges SaaS-Onboarding  ermöglichen und großen Anwenderkunden individuelle SaaS-Shops als interne Beschaffungsplattformen zur Verfügung stellen, so wie es größere Systemhäuser bei der Harware-Beschaffung tun. Das würde indes hohe Investitionen voraussetzen, die viele Systemhäuser eher scheuen und daher die Technologien und Dienste externer Plattformanbieter bevorzugen, die zudem das Channel-Management im Beziehungsdreieck ISV – Systemhaus – Anwenderkunde bestens kennen.

Profil und USP müssen sichtbar sein
Ja kennen müssen, denn die Spannungen und Channel-Konflikte aus der „alten Distributionswelt“ lösen sich im SaaS- und Marktplatzvertrieb ja nicht in Luft auf. Die fast schon Epochenbegriff gewordene digitale Plattformökonomie, die mit Blick auf den Vertrieb als Partnerökosystem daherkommt, nivelliert ja nicht die unterschiedlichen Interessenslagen und den Wunsch nach Differenzierung.

Wer vertreibt SaaS von welchem Hersteller? Was wird im Portfolio gebündelt? Wie kann Spezialisierung bei der Profilierung helfen? Gibt es exklusive Vertriebsrechte, einzigartigen Katalog-Content, individuelles Marketing?  Nichts wäre für SaaS-Marktplatzanbieter schlimmer als würden sie in der Masse mehr oder weniger identischer Shops ihr Profil als Lösungsanbieter verlieren und vergleich- und austauschbar werden.

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