Systemhaus-Fusionen

»Wer nur einen Bahnhof hat, wird Monopoly nicht lange mitspielen«

2. April 2020, 12:14 Uhr | Martin Fryba
CRN
Mike Bergmann kennt Systemhäuser bestens. Als M&A-Berater hilft er Deals zügig und effizient zum Abschluss zu bringen
© ICT CHANNEL

21 Systemhausehen hat Mike Bergmann seit dem Verkauf seiner eigenen IT-Firma begleitet. Er kennt die Wünsche, Hoffnungen und Ängste seiner sich neu orientierenden Branchenkollegen. Im besten Fall bringt der M&A-Berater erst gar nicht zusammen, was nicht zusammen passt.

CRN: Aus welchen Gründen verkaufen Chefs ihre IT-Firma?
Mike Bergmann: Da gibt es sehr unterschiedliche Motivationen. Einige Systemhausinhaber haben schlicht keine Lust mehr und die Schnauze voll, andere versprechen sich von einem neuen Standbein wie Datenschutz oder Consulting lukrativere Geschäfte. Oder ein wichtiger geschäftsführender Partner will sich neu orientieren. Viele Unternehmer um die 30 Jahre alt haben Mitte der 90er gegründet, sind jetzt Mitte 50 oder älter und wollen finanziell ausgesorgt und stressbefreit den Ruhestand genießen. Beim Blick auf eine Übernahmeofferte kann man schon mal schwach werden und meinen, so ein unmoralisches Angebot einfach nicht abschlagen zu können.


Dann gibt es wiederum geschäftsführende Gesellschafter, die noch hungrig sind, den nächsten Wachstumsschritt machen wollen. An der Seite eines finanzstarken Käufers, etwa eines größeren, schon international aufgestellten Marktbegleiters, geht das einfacher, als wenn man die Mittel für eine Expansion aus eigener Kraft stemmen müsste.


CRN: Und Notverkäufe, etwa weil Mittel für eine Sanierung oder einen Umbau des Geschäftsmodells fehlen?
Bergmann: Das kommt hin und wieder vor, aber eher, weil ein privater Schicksalsschlag wie eine Scheidung einen Verkauf notwendig macht. Vielmehr beobachte ich, dass Käufer den Markt für IT-Firmen ganz gezielt und systematisch angehen und Akquisitionsprozesse dann sehr professionell, effizient und bisweilen auch schnell ablaufen. Das beschleunigt die Marktkonsolidierung, die es in der IT-Dienstleistungsbranche schon immer geben hat.


CRN: Treiber waren und sind strategische Investitionen von Wettbewerbern wie Bechtle oder Datagroup. Wer treibt den Markt für IT-Firmenübernahmen noch an?
Bergmann: Expansion durch Zukauf hat nichts an Aktualität verloren. Auch Systemhaus Netgo mit Investor Waterland im Rücken setzt beispielsweise auf diese Strategie. Dazu kommen verstärkt branchenfremde Investoren, Family Offices, die in IT-Unternehmen investieren wollen. Im Fokus der Investoren: Buy and built von IT-Dienstleistern mit Deutschland weitem Cloud- und Managed Service-Geschäft. Der Anlagedruck ist hoch, Investoren gehen dennoch sehr zielgerichtet vor.


CRN: Wie gut kennen Finanzinvestoren den IT-Servicemarkt?
Bergmann: Es gibt große Unterschiede im Marktverständnis. Dass wiederkehrendes IT-Geschäft mit SaaS- oder Managed-Services lukrativ sein kann, hat sich herumgesprochen. Weniger, dass der Wandel  hin zum Betreiber von IT-Infrastrukturen traditionellen Systemhäusern gar nicht so leicht fällt und für viele nicht erfolgreich sein wird, wenn sie eine gewisse kritische Größe nicht erreichen.


CRN: In Deutschland gibt es schätzungsweise 8.000 bis 10.000 kleinere mittelständische Systemhäuser/ IT-Dienstleister, die vor allem regionale Kunden betreuen. Sie stehen für rund 80 Prozent oder mehr des IT-Dienstleistungsmarkts. Wie wird sich dieser Markt verändern?
Bergmann: Ich gehe davon aus, dass der Anteil von Systemhäusern mit mehr als 100 Mitarbeitern durch Fusionen drastisch steigen wird. Die größte Konsolidierung wird bei Firmen mit fünf bis 30 Mitarbeitern stattfinden. Wer eine gute Bonität und einen guten Cashflow aufweist, kann hier aktiv mitmischen. Wer hingegen nur auf einem Bahnhof sitzt, wird im Monopoly nicht lange mitspielen können.


CRN: Für Kapital werben auch Banken, oft landeseigene Institute, die den Mittelstand finanzieren.
Bergmann: Banken sind seit geraumer Zeit auch für die IT-Branche  in Geberlaune. Sie finanzieren hier Deals auch bei geringem Eigenkapitalanteil von rund 20 Prozent oder sogar komplett, wenn keine Eigenmittel eingebracht werden. Wenn die Geschäftszahlen positiv sind, kann der Kaufpreis nach fünf Jahren abbezahlt sein, ähnlich wie bei einer Immobilienfinanzierung.


CRN: Systemhaus-Unternehmer sind oft Techniker, keine Kaufleute und erst recht keine Beteiligungsmanager. Wie stellen sie sicher, dass ihre Interessen in einem Verkaufsprozess bestmöglichst berücksichtigt werden?
Bergmann: 80 Prozent einer M&A-Transaktion läuft standardisiert ab, 20 Prozent sind individuelle Vereinbarungen. Der Beratungsbedarf auf Verkäuferseite ist meiner Erfahrung nach sehr hoch. Denn Geschäftsführer eines Systemhauses denken in Servern und Netzwerken, Investoren in BWAs, Bilanzen, Handels- und Steuerrecht. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Wenn man Informationen für einen Verkaufsprospekt und 42 Seiten Due Diligence zusammenstellt, lernt man sein Unternehmen nochmals neu kennen. Sind relevante Infos für den Käufer schon gut vor- und aufbereitet, ist das ein starker wertbildender Faktor. Ein M&A-Berater einzuschalten ist daher sinnvoll, und das sage ich jetzt nicht, weil ich IT-Unternehmer in mehr als 20 Deals beraten habe.


CRN: Die jetzt dank großer Nachfrage und knappem Angebot alle Millionäre sind.
Bergmann: Es geht ja nicht nur um Geld. Faktoren wie Vertrauen und Sympathie zwischen Verkäufer und Käufer sind sehr wichtig, wie das beispielsweise beim Zusammenschluss von IT Fox und Lemontec [CRN berichtete] der Fall war. Das kann einen M&A-Prozess  sehr beschleunigen und den Ausschlag geben, dass nicht der Höchstbietende den Zuschlag erhält.


CRN: Die Preise für IT-Dienstleister sind hoch, zu hoch?
Bergmann: Der Wert eines Unternehmens entsteht im Kopf des Käufers. Und dort ist auch abgespeichert, dass man es mit einem Verkäufermarkt zu tun hat, also ein knappes Angebot an attraktiven IT-Firmen auf eine hohe Nachfrage trifft.


CRN: Als Ex-Systemhaus-Chef kennen sie sehr viele Branchenkollegen und haben ein großes Netzwerk. Ihre eigene M&A-Konjunktur brummt also, Abschlussquote müsste bei 100 Prozent liegen.
Bergmann: Die 21Transaktionen, die ich bis jetzt begleiten durfte, sind alle geglückt. Dass ein Käufer noch beim Notar pokert, 20 Prozent weniger zahlen will und den Raum dann schließlich ohne Unterschrift verlässt, weil sich der Verkäufer darauf nicht einlässt,  kenne ich nur aus Erzählungen.

 


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