Trotz Milliardenbudget kommt die Digitalisierung in Schulen nur schleppend voran. Jan Moll, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Dtm Group, berichtet über Versäumnisse, fehlende Standards und nicht vorhandenes Know-how. Nur Tablets öffentlichkeitswirksam an Schüler zu verteilen, sei nicht genug.
ICT CHANNEL: Mit einem Gesamtvolumen von über fünf Milliarden Euro ist 2019 der »DigitalPakt Schule« in Kraft getreten. Bislang wurde aber nur ein Bruchteil der Summe ausgezahlt. Woran liegt das?
Jan Moll: Die Gründe sind vielfältig. Um die Gelder überhaupt abrufen zu können, müssen die Schulen beispielsweise einen Medienentwicklungsplan erstellen. An den meisten Schulen fehlt es aber an geschultem Fachpersonal, also an technischem Know-how, um solch ein Digitalisierungskonzept zu erstellen. Hinzu kommt: Ist das Konzept einmal entwickelt, geht es zunächst an den Schulträger. Der Schulträger leitet den Antrag wiederum an das Bundesland weiter. Dort wird das Konzept schließlich geprüft und gegebenenfalls bewilligt. Entsprechend aufwendig und zeitintensiv ist dieses Verfahren dann am Ende. Und wir sprechen hier von der Konzeption; noch nicht von der Ausschreibung und noch lange nicht von der Umsetzung. Letztlich sind es aber auch fehlende Vorgaben und Standards, die den Digitalisierungsprozess erschweren, von einer einheitlichen Herangehensweise und übergeordneten Planung ganz zu schweigen.
ICT CHANNEL: Wie wirkt sich das in der Praxis aus?
Moll: Nehmen wir die Digitalisierung eines mittelständischen Unternehmens. Dort wird im Vorfeld eine klare Strategie und ein genauer Ablaufplan mit strengen Deadlines definiert. Dieses Vorgehen setzt eine enge und strukturierte Zusammenarbeit aller Abteilungen voraus. Einen vergleichbaren Ansatz vermisse ich im Schulumfeld, dort werden viele Maßnahmen kaum oder gar nicht koordiniert und in der Folge verschleppt. Eine geordnete Digitalisierungsstrategie ist so nicht möglich. In diesem Zusammenhang muss ich mich auch wundern, dass bis heute keine einheitlichen Richtlinien für das digitale Arbeiten in Schulen erlassen worden sind. Dabei müssen zentrale Themen wie Datenschutz und Sicherheitsstandards unbedingt angegangen werden.
ICT CHANNEL: Die Dtm Group ist seit über 15 Jahren im Schulumfeld aktiv. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein?
Moll: Aus Sicht des Channels wurde das vergangene Jahr verschlafen – besonders mit Blick auf die Infrastruktur. Es wurden Tablets verteilt, aber keine substanziellen Veränderungen auf den Weg gebracht. Doch was hilft das neueste Tablet, wenn es am Ende des Tages nicht angemessen genutzt werden kann? Wenn bei Klassenwechsel 30 Schüler im Klassenraum sitzen und 30 Schüler vor der Türe warten und alle über einen veralteten Access-Point ins Netz wollen? Die öffentliche Diskussion dreht sich um digitale Endgeräte und um Applikationen, vernachlässigt aber die Infrastruktur. Dabei ist das Netzwerk ein enorm wichtiger Baustein. Sprechen wir von Schulen, sprechen wir nicht von Spielzeug-EDV. Oft sind die Anforderungen in Schulen sogar höher als in Unternehmen. Und natürlich werden dann ähnliche und eben leistungsfähige Strukturen benötigt. Aktuell sehen wir hier starke Defizite und dringenden Aufholbedarf.