Personal Branding

Blendende Selbstdarstellung

8. März 2023, 15:23 Uhr | Martin Fryba
© AdobeStock/Magele Picture

Die Google-Suche hat das gute alte Bewerbungsschreiben abgelöst, sagt Chris Jon Graf. Jobsuchende müssen umdenken. Auch Unternehmen gehen neue Wege beim Recruiting. Personal Branding zwischen Experten-Status und Katzenvideos.

Kurze Urlaubsvideos mit Kindern und Frau am Strand eines Luxusresorts. Anschließend Muskeltraining im Fitnessraum und der Hinweis an die Follower, auch sie könnten Träume vom Fernweh und Schönheit verwirklichen. Man müsse, so der erfolgreiche CEO eines Handelsunternehmens, nur bei der richtigen Firma anheuern. Haben wir grauen Schreibmäuse hinter dem Schreibtisch aber nicht. Was also tun? Chris Jon Graf, Gründer und Geschäftsführer der Digital Passion GmbH, muss es wissen. Er verfolgt das Ziel, Menschen durch die Digitalisierung so zu befähigen, dass sie ihren Traumberuf finden.

ITC-Channel: Herr Graf, wir sind in analogen Zeiten zur Bescheidenheit erzogen worden und bekommen jetzt zu hören, dass man in der digitalen Welt ohne Personal Branding nicht bestehen kann.

Chris Jon Graf: Ich denke, dass Personal Branding in der digitalen Welt mittlerweile eine sehr wichtige Rolle spielt. Wenn man sich die heutige Zeit anschaut, in der soziale Medien eine so große Bedeutung haben, dann ist es für Unternehmer und auch für Privatpersonen von Vorteil, eine klare Positionierung zu haben und eine authentische Selbstdarstellung zu pflegen. Auf diese Weise können sie eine Verbindung zu ihrer Zielgruppe aufbauen und langfristige Kundenbeziehungen aufbauen.

Ist Personal Branding nicht eher etwas für die junge Generation?

Graf: Aufgrund der Tatsache, dass die Google-Suche das herkömmliche Bewerbungsschreiben inzwischen abgelöst hat, ist es besonders wichtig, ein Personal Branding aufzubauen, das den Interessenten ein möglichst authentisches Bild der eigenen Person vermittelt. Das Alter spielt dabei nur in dem Zusammenhang eine Rolle, insofern es sich auf die jeweilige Zielgruppe bezieht, die man mit dem digitalen Auftritt erreichen möchte. Hierfür sollten jeweils genügend Ressourcen bereitgestellt werden, um den Aufbau messbar erfolgreich zu machen.

Putzige Tiervideos ziehen immer. Guter Content für die Selbstdarstellung in sozialen Medien?

Graf: Das Potential von Social Media-Inhalten geht weit über das Posten von lustigen Videos hinaus. Aktuell sind kurze Videos auf diversen Plattformen besonders gut geeignet, um viele Menschen gleichzeitig zu erreichen. Allerdings sollte bei den Videos im Bereich Personal Branding darauf geachtet werden, dass sie die eigene Expertise möglichst klar in den Vordergrund stellen.

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Dominik Pfau
Chris Jon Graf: "Achten Sie beim Personal Branding darauf, die eigene Expertise möglichst klar in den Vordergrund zu stellen."
© Dominik Pfau

Ist eine Grenze zu ziehen zwischen Expertenstatus im Business und der eigenen Persönlichkeit, die viele nicht gern preisgeben wollen?

Graf: Ich bin der Meinung, dass Personal Branding nicht unbedingt bedeutet, auch private Dinge zu teilen oder preiszugeben. Da es hauptsächlich darum geht, die eigene Expertise auf einem bestimmten Fachgebiet zu präsentieren, kann ein zu tiefer Einblick ins Privatleben sogar schädlich für die Entwicklung der Brand sein. Allerdings machen intime und private Episoden den Experten menschlicher und nahbarer, weshalb darauf nicht vollständig verzichtet werden sollte.

Welche Plattformen sind für Personal Branding geeignet?

Graf: Da gibt es zahlreiche Plattformen, wie beispielsweise Linkedin, Blogs, Instagram, Online-Presse, Facebook, Tiktok oder einer eigenen Website. Alle diese Kanäle bieten eine hervorragende Gelegenheit, um die eigene Präsenz im Internet zu stärken und das eigene Image gezielt zu gestalten.

Und dann hört die Eigenvermarktung auf, nachdem man seinen Traumjob gefunden hat?

Graf: Ich vertrete die Ansicht, dass dies in der Vergangenheit vielleicht möglich und wünschenswert gewesen wäre, als man den eigenen Job in aller Regel bis zur Pensionierung ausübte. Inzwischen ist es jedoch aufgrund der hohen Fluktuationsrate und der sich ständig wandelnden Anforderungen des Arbeitslebens nicht mehr empfehlenswert. Ein wichtiger Faktor hierbei ist die Digitalisierung und Entwicklung von künstlicher Intelligenz, deren Folgen für uns zum derzeitigen Zeitpunkt noch gar nicht absehbar sind. Daher ist die Entwicklung der eigenen Expertise und digitalen Selbstdarstellung heute so wichtig wie nie zuvor.

Auch Unternehmen greifen den Trend auf und betreiben auch CEO-Branding. Ist das nicht sehr riskant? Dieter Zetsche hatte fast 250.000 Linkedin-Follower. Jetzt ist er nicht mehr Daimler-Chef und der letzte Post ist drei Jahre alt. Verbranntes Personal Branding?

Graf: Zetsche wurde als Persönlichkeit aufgebaut, um dann von heute auf morgen zu verschwinden. Für Unternehmen ist es daher sinnvoll, eine unpersönliche Brand aufzubauen, die nicht von Personalwechsel beeinträchtigt wird. Beim Aufbau der eigenen Persönlichkeit als Marke ist dies jedoch durchaus sinnvoll.

Kann man den Erfolg von Personal Branding messen?

Graf: Ja, das kann man. Das Schöne an der digitalen Welt ist, dass man genau messen kann, wie viele Besucher eine Seite oder ein Post erhält und wie viele Personen sich entscheiden, weitere Posts oder Seiten anzusehen oder sogar Kontakt mit der Person aufzunehmen. Im Gegensatz zur traditionellen Fernseh- und Zeitungswerbung ist das eine klare Messung des Erfolgs.

Was raten Sie Firmen, wenn sie Employer Branding machen wollen?

Graf: Sie sollten sich einen Experten zu holen, der bereits erfolgreiche Employer Brandings mit Unternehmen in der gleichen Größe umgesetzt hat. Außerdem sollten sie genügend interne Ressourcen dafür bereitstellen.

Chris Jon Graf möchte durch die Digitalisierung mehr Chancengleichheit für alle Menschen schaffen – auch für jene in Entwicklungsländern. Dafür hat er das Projekt "Passion Hub" ins Leben gerufen, das sich der Bekämpfung der Armut verschrieben hat. Menschen sollen Zugang bekommen zu Co-Working Spaces, Coaching, virtuellen Assistenten, Webdesign und Online-Marketing. Mehr Wirtschafts- und Innovationskompetenzen sollen sich finanziell auszahlen.


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