Demission von CEO Thomas Volk

Wiederentdeckung der Cancom-DNA

10. Januar 2020, 10:22 Uhr | Martin Fryba
Ab Februar 2020 übernimmt COO Rudi Hotter den Vorstandsvorsitz bei Cancom von Thomas Volk
© ICT CHANNEL

Der überraschende Abgang von CEO Thomas Volk offenbart das harte Ringen bei Cancom um Zukunftsfähigkeit und Wachstumsrisiken. Wohin steuert künftig das Münchner Systemhaus? Den Kompass wird der neue Cancom-Chef Rudi Hotter nicht gänzlich neu justieren müssen.

Von Mark Twain stammt das zeitlos schöne Bild von Reisenden, die ihre Anstrengungen verdoppelten, als sie erkannten, das Ziel aus den Augen verloren zu haben. Der Satz passt immer dann, wenn der Reiseleiter, wie im Fall Cancom, vom Weg abzukommen droht und daher gestoppt wird. Ausgetauscht wird der CEO vom Aufsichtsrat spätestens dann, wenn es zu keiner Einigung kommt über die einzuschlagende Route und das Marschtempo.


Das ist bei Cancom der Fall. Über die geografische Verortung von Cancom gab es Differenzen. Cancom-Chef Thomas Volk will stärker dorthin expandieren, wo er sich sehr gut auskennt und viele Kontakte hat: in die USA. Dort ist Cancom bereits mit einer kleinen Niederlassung vertreten. Volk drängt aber auf größere Expansion und habe in den USA zukaufen wollen, wie CRN aus gut unterrichteten Kreisen erfuhr. Der Aufsichtsrat hatte sich intensiv mit Volks Plänen befasst, sieht aber zu viele Risiken und schlicht keine Dringlichkeit, Volk ein Okay zu geben. Der CEO zieht daraufhin konsequent seine Schlüsse und quittiert zum Ende Januar 2020, dreieinhalb Jahre vor Vertragsende, wie CRN am Donnerstag berichtete.


Nur haben wir es bei der strategischen Aufstellung eines großen IT-Unternehmens wie Cancom nicht nur mit geografischen Koordinaten zu tun, auch die prognostische Sicht auf einen überaus dynamischen Markt gilt es stets zu diskutieren. Auch hier gab es teilweise unterschiedliche Vorstellungen, wie sich die Münchner künftig aufstellen sollen. So schnell sich Technologien ändern, so rasch kann der einst gemeinsam beschlossene Konsens über die Ausrichtung des Geschäftsmodells zerbrechen. Das ist ganz offensichtlich der Fall bei Cancom. Der Aufsichtsrat folgte seinem CEO nicht mehr. Obwohl der seit Oktober 2018 an der Spitze von Cancom stehenden Thomas Volk bei Umsatz, Ertrag und Börsenwert  respektable Erfolge aufweisen konnte, war man zur Überzeugung gelangt, Volk gegen Vorstandskollegen Rudi Hotter austauschen zu müssen.


COO Hotter, obwohl kein Mann der ersten Cancom-Stunde,  gehört dennoch zur alten Riege des 1992 gegründeten Systemhauses. 15 Jahre hat er maßgeblich die Cloud-Lösungen bei Cancom entwickelt, die AHP Business Cloud zur Produktreife gebracht. Er kennt auch das klassische Projektgeschäft, ist bestens mit strategischen Herstellern wie Cisco, Dell oder HPE vernetzt. Antonio Neri, CEO von HPE,  und Michael Dell gratulierten Hotter telefonisch zur Beförderung, der ab Februar neue Cancom-CEO genießt das volle Vertrauen des Aufsichtsrats.


Beiden, Hotter und vor allem dem stellvertretenden Vorsitzende des Kontrollgremiums Stefan Kober, dürfte bekannt sein, wie der immer noch wirkungsmächtige Cancom-Gründer Klaus Weinmann den Systemhausmarkt einschätzt. Noch bis kommenden Oktober muss der Ex-CEO von Cancom still halten, bis er einen Sitz im Aufsichtsrat der Münchner einnehmen darf.


Still halten braucht und kann Weinmann ohnehin nicht, wenn es um Aussagen zur Zukunftsfähigkeit von Systemhäusern geht. Sein neuestes Update über die Entwicklung des IT-Marktes und speziell seine Prognosen zur Positionierung von Systemhäusern ist dem Cancom-Aufsichtsrat freilich nicht entgangen.
Mit seinen Plänen, Cancom mit der AHP Business Cloud stärker als Produkthersteller international - auch außerhalb Europas - zu positionieren, liegt Volk nicht oder besser: nicht mehr auf der Linie der von seinem Vorgänger skizzierten Marktentwicklung.

 

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